Fehler passieren und sind vor allem eines: menschlich. In Institutionen und Unternehmen kritischer Infrastrukturen wie zum Beispiel in einem Kernkraftwerk (KKW) können sie allerdings sehr gefährlich werden. Wie Krisensituationen in einem KKW richtig bewältigt werden und was daraus für andere Sicherheitskulturen abgeleitet werden kann, lässt sich im Simulationszentrum EKu.Safe in Essen erfahren. Dr. Peter Gausmann, Geschäftsführer der GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung mbH, berichtet.

Dass die GRB über den Tellerrand von Medizin und Pflege schaut, ist nicht erst seit unserem Jubiläumskongress im Jahr 2019 bekannt. Schon damals beschäftigten wir uns mit Risikomanagementkonzepten von Schwerlasttransportunternehmen, von der fleischverarbeitenden Industrie und der Trinkwasserversorger.

Auf Einladung von Dr. Matthias Aleff, dem Leiter des Simulationszentrums, absolvierten Kolleginnen und Kollegen der GRB und anderer Unternehmen der Ecclesia Gruppe ein Human-Factor-Training im EKu.Safe, einem Unternehmen des Essener Simulationszentrums für Fach- und Führungskräfte der deutschen Kernkraftwerke im Stadtteil Kupferdreh.

Seit 30 Jahren werden dort Mitarbeitende der deutschen Kernenergieanlagen in „sicherheitsgerichteten Verhaltensstandards“ durch Training, Coaching und Engineering darin ausgebildet, Kernkraftwerke so sicher wie möglich zu machen. Die Leitwarten der sechs in Deutschland noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke sind dort nachgebaut und sämtliche Krisensituationen können simuliert werden. Gesellschafter des Trainingszentrums sind die Energiekonzerne RWE und E.ON.

Nach dem beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie berät EKu.Safe unter Nutzung des Simulationszentrums mittlerweile auch branchenübergreifend, mit Schwerpunkt auf Medizin und Industrie, Unternehmen zu Verhaltensstandards. Das Ziel dieses Angebots ist, die unternehmenseigene Sicherheitskultur zu fördern. Kunden sind Universitätskliniken ebenso wie Brauereien.

Einer der Schwerpunkte der Prävention liegt auf der Schulung von standardisiertem Verhalten, hierarchieübergreifend und interprofessionell. Mit Hilfe spezieller Trainingseinheiten an fachfremden Übungsstrecken können Zuverlässigkeit und Vertrautheit in der Kommunikation trainiert werden.

Eine Kernkraftwerksanlage ist wie eine Intensivstation oder eine Notaufnahme eines Krankenhauses eine Hochzuverlässigkeitsorganisation. Diese „high reliability organizations“ zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch mit außerplanmäßigen Herausforderungen umgehen können und sich auf den kritischen Fall im Rahmen von regelmäßig durchgeführten Trainings vorbereiten. Diese Verfahren sind mittlerweile im klinischen Risikomanagement vieler Krankenhäuser obligatorischer Bestandteil. Auch die GRB bietet solche Trainings an.

Im Eku.Safe trainierten das interprofessionelle Ecclesia- bzw. GRB-Team im Rahmen dreier Übungen:

  1. Training der Wahrnehmung 
    Die Konzentration auf eine komplexe Aufgabe – hier die Konnektion von komplexen Schlauchsystemen – wurde mit den Phasen der strukturierten Informationssammlung, des Hinterfragens des geplanten Prozesses, der Durchführung und der Ergebnisbeurteilung durch gegenseitiges Coaching und Reflexion trainiert.
     
  2. Training der Kommunikation
    Ein Modell aus Holzelementen musste von einem Team durch telefonische Anweisung eines Vorgesetzten in einer bestimmten Form zusammengesetzt werden, wobei die telefonische Instruktion nochmals verbal durch einen anwesenden, aber inaktiven Projektleiter an das ausführende Team kommuniziert wurde (Prinzip „stille Post“).
     
  3. Training der interprofessionellen Zusammenarbeit
    Ein komplexer Wasserkreislauf musste im Rahmen einer simulierten Wartungsaufgabe unter strenger Einhaltung sämtlicher Standards und SOP (Standard Operating Procedure), natürlich mit eingebauten Fehlern und Störungen, überprüft, gereinigt und gesichert werden.

Die Simulationen und Schulungen zu sicherheitsgerichteten Verhaltensstandards waren ausgerichtet auf

  • die Ausprägung einer kritisch hinterfragenden Grundhaltung der Teilnehmenden,
  • die Umsetzung einer sicheren Kommunikation,
  • Beobachtungsgabe sowie
  • die Trainings zum sofortigen Abbruch von Leistungen bei Abweichung.

Für das Ecclesia/GRB-Team war es ein eindrucksvoller, erkenntnis- und lehrreicher Blick in eine andere Welt. Das Verfahren ist für alle Unternehmen mit risikoreichen Infrastrukturen, also explizit für Teams aus Krankenhäusern, empfehlenswert. Es geht im Wesentlichen um Führungskräfteentwicklung im Kontext einer Vertrauens-, Kommunikations- und Sicherheitskultur.

Übrigens: EKu. in EKu.Safe steht schlicht für Essen Kupferdreh.