In Einrichtungen wie Altenheimen, Krankenhäusern, Arztpraxen oder Medizinischen Versorgungszentren passiert es durchaus, dass Sachen von Patienten „irgendwie“ abhandenkommen. Zwar ist eine medizinische Einrichtung vorrangig für die Patienten, ihre Gesundheit und ihre Sicherheit zuständig, aber sie muss – als vertragliche Nebenpflicht – auch deren Sachen schützen. Welche Maßnahmen dazugehören, entscheiden die Gerichte allerdings von Streitfall zu Streitfall. Lässt sich also überhaupt ein „richtiger“ Umgang mit Patientenhabe definieren? Und wer haftet für einen Schaden? Dr. Markus Krüger, Jurist in unserem Unternehmensbereich Schaden, weiß Rat.




Noch bevor es zu einem Schaden kommt, kann eine Einrichtung bereits problematische Situationen mit den Patienten vermeiden und mögliche Risiken klein halten. Doch vor allem anderen müssen zuerst einmal die Rechtsgrundlagen geklärt werden.
 

Die Obhutspflicht als Nebenpflicht des Krankenhausaufnahmevertrags

Wer ein Krankenhaus betreibt und es dem Publikum zugänglich macht, ist dazu verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Patientinnen und Patienten zu treffen, das hat der Bundesgerichtshof (BGH) schon 1975 in einem Urteil festgelegt.1 Das bezieht sich nicht nur auf die körperliche und gesundheitliche Unversehrtheit der Menschen, sondern auch auf den Schutz des Eigentums und des Besitzes von anderen Personen.

Dabei obliegt dem Krankenhausbetreiber beziehungsweise dessen Beschäftigten eine Obhutspflicht (Verwahrungs- und Sicherungspflicht). Das bedeutet, dass sie sich so verhalten müssen, dass der Besitz der Patientinnen und Patienten nicht verletzt wird.2 Dies stellt eine Nebenpflicht3 in Form einer Schutzpflicht des Krankenhausbetreibers zum Arztbehandlungs- bzw. Krankenhausaufnahmevertrag dar.4
 

Anknüpfungspunkte der Haftung

Das generelle Risiko, dass Besitz von Patientinnen und Patienten abhandenkommt, ist über die Betriebshaftpflichtversicherung des Krankenhauses abgedeckt. Aber nicht in jedem Fall haftet ein Krankenhausbetreiber für verschwundene Besitztümer der Patientinnen und Patienten.

Eine Haftung für das Krankenhaus – und in der Folge eine Verpflichtung zum Ersatz eines etwaigen Schadens – besteht nur dann, wenn der Schaden durch eine schuldhafte Pflichtverletzung verursacht worden ist. Das bedeutet, dass entweder der Krankenhausbetreiber seiner generellen Obhutspflicht nicht nachgekommen ist oder eine sonstige schuldhafte Pflichtverletzung des Personals vorliegt.

Die Darlegungs- und Beweislast für den Anspruch liegt im Grundsatz bei dem Anspruchsteller, das heißt, er muss eine Pflichtverletzung des Krankenhauses beziehungsweise des dort tätigen Personals nachweisen.
 

1. Generelle Obhutspflicht

Im Hinblick auf die generelle Obhutspflicht muss der Krankenhausbetreiber Vorkehrungen treffen, um die Sicherheit des Besitzes von Patientinnen und Patienten zu garantieren. Dabei handelt es sich um eine Organisationsaufgabe des Krankenhausträgers.5

Der Betreiber kommt dieser Verpflichtung nach, wenn er geeignete Möglichkeiten schafft, um Gegenstände aufbewahren wahren zu können,6 beispielsweise, wenn er ein Wertfach zur Verfügung stellt.7 Dieses kann sich im Krankenzimmer, auf der Station oder im Bereich der Verwaltung befinden. Darüber hinaus sollte der Betreiber dafür sorgen, dass Wert- oder sonstige Gegenstände einer Patientin oder eines Patienten von diesem selbst oder bei Verhinderung durch die Verwaltung ordnungsgemäß verwahrt und vor Diebstählen gesichert werden können.8
 

2. Pflichtverletzung des Personals orientiert am Gesundheitszustand der Patientin und des Patienten

Anknüpfungspunkt für die Pflichten des Personals ist in erster Linie der Gesundheitszustand der jeweiligen Patientin beziehungsweise des Patienten.

Ist sie/er aus gesundheitlichen Gründen nicht dazu in der Lage, sich um den eigenen Besitz selbst zu kümmern und ihn zu beschützen, können sich daraus erhöhte Sorgfaltspflichten für das Krankenhauspersonal ergeben.9 Ist sie/er jedoch dazu in der Lage, liegt die Verantwortung grundsätzlich bei ihr/ihm.10

Die Eigenverantwortung des Patienten/der Patientin geht also mit dem Gesundheitszustand einher. Denn Patientinnen und Patienten geben zum einen die eigene Aufsichtspflicht und Kontrolle über ihren Besitz nicht allein deshalb ab, weil sie im Krankenhaus sind. Problematisch an diesem Aspekt ist allerdings, dass sie sich oftmals in einer entsprechenden Erwartungshaltung befinden: Man hofft auf die Genesung mit Hilfe des Fachpersonals und erliegt schnell der Annahme, auch um alles Weitere werde sich gekümmert. Insofern ist wichtig, jede Patientin und jeden Patienten entsprechend über die Sachlage zu informieren.

Zum anderen kann das Personal keine ständige Aufsicht und Überwachung leisten, da die Belange der Genesung, Pflege und Versorgung im Vordergrund stehen. Außerdem sind die Pflichten des Krankenhausbetreibers ohnehin beschränkt – auf der einen Seite durch die üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind.11 Maßstab ist hier das Erforderliche und Zumutbare.12 Auf der anderen Seite sind Würde, Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der Patientinnen/Patienten zu wahren und zu fördern.13
 

Zwischenfazit

Insofern ergibt sich ein Wechselspiel zwischen Patientin/Patient und Krankenhaus, das eine Abstufung der Pflichten bewirkt: Je weniger eine Patientin/ein Patient selbst auf den eigenen Besitz achten kann, umso mehr muss das Krankenhaus darauf achten. Wenn sich jedoch das Personal um den Besitz der Patientin/des Patienten kümmert, dann ist es auch dafür verantwortlich. Die entscheidende Frage ist daher stets: Ist eine Patientin/ein Patient grundsätzlich dazu in der Lage, sich selbst um ihre/seine Gegenstände zu kümmern?
 

Handlungsempfehlungen

Umgang mit Wertsachen/Geld

Bei der Aufnahme sollte genau dokumentiert werden, welche Gegenstände eine Patientin oder ein Patient mitgebracht hat. Die Wertsachen müssen schriftlich einzeln erfasst werden, indem beispielsweise Schmuck kurz beschrieben wird, bei elektronischen Geräten Modell und Typ festgehalten werden oder mitgebrachte Dokumente aufgelistet werden. Sofern Bargeld in Verwahrung genommen wird, soll die konkrete Höhe erfasst werden.

Bereits bei der Aufnahme sollte das Personal die Patientin/den Patienten darauf hinweisen, dass Diebstahlgefahr besteht, und erläutern, wo Wertsachen und Bargeld geeignet aufbewahrt werden können. Es sollte ferner der Hinweis gegeben werden, dass besondere Wertgegenstände entweder den Angehörigen mitgegeben oder in der Verwaltung oder dem Schwesternzimmer in Verwahrung gegeben werden sollen. Bei in Verwahrung genommenen Gegenständen gelten gesteigerte Obhutspflichten.

In der Rechtsprechung gibt es unterschiedliche Auffassungen dazu, ob vom Personal auf die generelle Diebstahlgefahr im Krankenhaus hingewiesen werden muss. Daher empfiehlt es sich, mit Warnhinweisen (beispielsweise auf dem Flur oder in den Zimmern) die Patientinnen und Patienten für dieses Risiko zu sensibilisieren.
 

Umgang mit Zahnprothesen

Je nach dem Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten müssen vom Krankenhaus unterschiedlich intensive Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit Zahnprothesen getroffen werden. Wenn sich das Personal um die Prothese kümmert, ist es für sie auch verantwortlich. Allerdings kann das Personal weder 24 Stunden auf Prothesen achten, noch sind höhere Anforderungen an die Mitarbeitenden zu stellen, als sie im alltäglichen Umgang mit der Prothese durch die Patientin oder den Patienten selber gestellt würden.
 

Handlungsempfehlungen je nach Situation der Patientin/des Patienten

Ist eine Patientin oder ein Patient handlungsunfähig oder aus anderen gesundheitlichen Gründen (Bewusstlosigkeit, Demenz, Notfall etc.) nicht in der Lage, auf sein Eigentum zu achten, sollten Wertsachen und Bargeld in Verwahrung genommen werden. Andere persönliche Gegenstände sollten unter Verschluss aufbewahrt werden.

Ist eine Patientin/ein Patient lediglich kurzzeitig abwesend, beispielsweise für eine Untersuchung oder eine Operation, dann muss sie/er selbst auf die eigenen Sachen achten, soweit sie/er dazu in der Lage ist.
 

Handlungsempfehlungen für das Verhalten gegenüber Dritten

Herausgabe von Sachen an Dritte

Eine Herausgabe von Sachen der Patientin/des Patienten an Dritte (Besucher, Angehörige oder sonstige Personen) sollte nur erfolgen, wenn die Patientin/der Patient hierzu schriftlich eine Vollmacht erteilt hat. Am besten wird bereits bei der Aufnahme darauf hingewiesen. Gegenstände sollten grundsätzlich nur gegen Vorlage von Ausweisdokumenten und Unterschrift an Dritte ausgehändigt werden.
 

Besucher auf Intensivstationen

Für Kleidung, die zwingend vor Betreten der Intensivstation abgelegt werden muss, muss das Krankenhaus Sicherheitsvorkehrungen treffen, damit die Gegenstände nicht entwendet werden können – beispielsweise durch einen abschließbaren Schrank.
 

Verhalten im Schadenfall

Sofern es zu einem Schadenfall gekommen ist, nehmen Sie den Sachverhalt vor Ort auf (Erstellung Schadenmeldung) und fertigen (möglichst zeitnah, um Erinnerungslücken zu vermeiden) eine Stellungnahme beziehungsweise ein Gedächtnisprotokoll an.

Im Hinblick auf die Kommunikation mit Patienten oder Angehörigen erkennen Sie keine Forderung an und vermeiden Sie Aussagen wie: „Selbstverständlich verpflichte ich mich, den Schaden zu ersetzen.“, oder: „Wir haben eine Versicherung für so etwas.“ Stattdessen sollten Sie mitteilen, dass Sie den Vorgang Ihrem Versicherungsmakler melden und dort eine weitere Bearbeitung der Angelegenheit erfolgt.

Dr. Markus Krüger
markus.krueger@ecclesia-gruppe.de


1 BGH, 02.12.1975 – VI ZR 79/74.
2 vgl. Heinrichs in: Palandt, 78 Aufl., § 280 Rn. 28; Landgericht (LG) Detmold, 30.09.2009 – 10 S 81/09.
3 § 241 Abs. 2 BGB.
4 LG Bonn, 11.01.2016 – 10 O 90/12.
5 Laufs/Kern in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts (2010), § 101, Rn. 26.
6 OLG Karlsruhe, 06.11.1974 – 1 U 97/74; LG Nürnberg, 25.02.1993 – 4 O 8427/92; Quaas in: Quaas/Zuck, Medizinrecht (2014), § 14, Rn. 123.
7 OLG Karlsruhe, 06.11.1974 – 1 U 97/74; Arbeitsgericht (AG) Frankfurt, 18.04.1988 – 32 C 50/88-19.
8 Schlund in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts (2010), § 92, Rn. 9.
9 So bereits sehr früh BGH, 14.04.1954 – VI ZR 41/53.
10 AG Leverkusen, 12.09.1991 – 24 C 321/19.
11 vgl. OLG München, 25.07.2003 – 27 U 237/03; LG Essen, 21.08.1998 – 3 O 266/98.
12 OLG Koblenz, 21.03.2002 – 5 U 1648/01.
13 BGH, 28.04.2005 – III ZR 399/04.


Schadenmeldung:

Formular downloaden: www.ecclesia.de/ecclesia-allgemein/service/schadenanzeigen/
Schadenmeldung einfach und schnell online: https://schadenmeldung.versicherungsdienste.de/
 


 

Weitere Tipps für Arztpraxis, Krankenhaus und MVZ:

Informationen zu rechtlichen Hintergründen und Musterformulare für die Praxis gibt es in unserer kostenlosen Broschüre „Schutzmaßnahmen für den Besitz von Patientinnen und Patienten“. Sie können sie per Post oder per E-Mail anfordern: info@ecclesia-gruppe.de

Beispiele:

1. Zahnprothese nicht mitgenommen

Eine Patientin wird innerhalb des Krankenhauses durch das Pflegepersonal verlegt. Dabei kommt ihre Zahnprothese abhanden. Die Patientin selbst ist aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage, auf ihre Sachen zu achten.

Analyse: Der Schaden ereignet sich im Organisationsbereich des Krankenhauses (Durchführung der Verlegung), die Patientin hat erstens keine Möglichkeit, den Verlegungsvorgang zu beeinflussen, und ist zweitens auch nicht in der Lage dazu (Gesundheitszustand).

Die Geschädigte kann ein Verschulden nicht nachweisen, da ihr die Vorgänge im Rahmen der Verlegung nicht bekannt sind. Umgekehrt kann sich das Krankenhaus nicht entlasten, da die Verantwortung dem eigenen Bereich zuzurechnen ist.

Ergebnis: Haftung besteht, die Prothese muss ersetzt werden.
 

2. Geldbörse verschwunden

Ein Patient legt seine Geldbörse auf den Nachtschrank, verlässt das Zimmer und stellt nach Rückkehr fest, dass sie verschwunden ist. Der Patient ist in der Lage, auf seine Sachen zu achten.

Analyse: Es besteht keine erhöhte Sorgfaltspflicht für das Personal und der Patient muss ein Verschulden des Pflegepersonals nachweisen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass das Personal nicht an Sachen auf oder in einem Nachtschrank geht.

Ergebnis: Haftung besteht nicht. Die Eigenverantwortung für den Besitz liegt bei dem handlungsfähigen Patienten selbst.

Unverschlossene Krankenzimmer sind im Krankenhaus üblich (Publikumsverkehr), somit liegt noch kein Fehler des Krankenhauses vor. Der Aufenthalt in einem Krankenhaus entbindet die Patienten nicht von den eigenen Sorgfaltspflichten.
 

3. Schadenhergang unklar

Ein Patient ist dement, zeitlich und situativ oft nicht orientiert. Er verlegt mehrmals seine Sachen, unter anderem seine Zahnprothese, wickelt sie in Papierservietten ein oder legt sie in Trinkgefäße.

Analyse: Der Gesundheitszustand spricht für eine erhöhte Sorgfaltspflicht des Personals, das Problem des Verlegens ist ihm bekannt. Andererseits kann das Personal die mitgebrachten Sachen nicht ständig überwachen.

Ergebnis: Haftung besteht von Fall zu Fall (einzelfallorientiert!). Folgende Aspekte müssen geklärt werden: Hätte das Personal die erhöhte Sorgfaltspflicht erkennen können/müssen? Der Schadenhergang ist unklar, der Gefahrenkreis des Krankenhauses ist betroffen.