Organspender, die eine Spende für einen nahestehenden Menschen erwägen, müssen besonders penibel aufgeklärt werden. So hat der Bundesgerichtshof geurteilt. Die Grundsätze der hypothetischen Einwilligung lassen sich nicht auf die Lebendorganspende übertragen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine wegweisende Grundsatzscheidung zur Haftung nach einer unzureichenden Aufklärung von Organspendern vor einer Lebendspende getroffen. Er stellte am 29. Januar in zwei Entscheidungen fest, dass bei Lebendorganspenden die Grundsätze der sogenannten hypothetischen Einwilligung nicht angewendet werden können.

In beiden dem BGH vorliegenden Fällen hatte es Mängel in den Aufklärungsgesprächen gegeben. Die Vorinstanzen hatten aber eine Haftung verneint, weil ihrer Ansicht nach die Spender der Organentnahme zugunsten eines engen Verwandten auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zugestimmt hätten (hypothetische Einwilligung).

Dem widersprach der BGH. Die Bundesrichter begründeten das damit, dass der Gesetzgeber mit dem Transplantationsgesetz (TPG) eine gesonderte Regelung geschaffen habe, auf das sich diese zum Arzthaftungsrecht entwickelten Grundsätze der hypothetischen Einwilligung nicht übertragen ließen. Die gesonderten Aufklärungsanforderungen des TPG zum Schutz der Spender bei Lebendspenden (§ 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 TPG) dürften damit nicht unterlaufen werden.

Die Entscheidungen werden erhebliche Auswirkungen auf alle Fälle der Lebendorganspende haben, in denen erfolgreich der Vorwurf der unzureichenden Aufklärung erhoben wird. Es ist deshalb zukünftig in besonderer Weise darauf zu achten, dass die Spender umfassend aufgeklärt werden, insbesondere über die möglichen Risiken für die Spender und das Spenderorgan, und diese Tatsache auch umfassend dokumentiert wird.

Franz-Michael Petry


Aktenzeichen VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17