In der Kunstszene wird die Digitalisierung nicht nur künstlerisch verarbeitet. Auch Kriminelle entdecken die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung, um Galeristen und ihren Kunden Schaden zuzufügen. Oliver Behrens, Kunstversicherungsexperte des Spezialmaklers Fine Art Business Partner (FABP) aus unserer Unternehmensgruppe, berichtet darüber.

Mag in vielerlei Hinsicht eine gesunde Skepsis gegenüber den uns quasi überrollenden technischen Veränderungen angebracht sein, so wird trotzdem kaum einer darum herumkommen, sich mit dem Thema der Digitalisierung intensiv auseinanderzusetzen. Dieses Thema ist allgegenwärtig und bietet unzählige Chancen und Risiken. Die Kunstwelt bildet hier keine Ausnahme.

Die jüngere Vergangenheit zeigte immer häufiger, wie anfällig die global vernetzten Systeme geworden sind. Cyberrisiken werden zunehmend als gravierende Bedrohung wahrgenommen.
 

Auch Galeristen sind Opfer von Cyberattacken

Neben den bekannten globalen Attacken wie durch die Erpressungssoftware „WannaCry“ im Mai 2017 oder den vermehrten Angriffen auf das Gesundheitswesen (Krankenhäuser wie das Lukaskrankenhaus in Neuss, aber auch Alten- und Pflegeheime) hatten die Täter auch eine Zeit lang den Kunsthandel im Visier. Bei den Summen, die dort zwischen den Parteien transferiert werden, war das durchaus nicht bar jeglicher Logik.

Die Hacker verschafften sich direkten Zugriff auf die E-Mail-Konten der Galeristen und beobachteten im Hintergrund die ein- und ausgehende Korrespondenz. Sobald nach einem Kunstverkauf eine Rechnung an den Käufer versandt wurde, „kaperten“ die Täter diese E-Mail und sandten kurz darauf eine weitere elektronische Nachricht mit dem Absender der Galerie.
 

Geld und Kundenvertrauen verloren

Angehängt war eine geänderte Rechnung. In der E-Mail wurde die Bitte geäußert, die zuvor angeblich „versehentlich“ falsch versandte Rechnung (alte Kontoverbindung etc.) zu ignorieren und stattdessen die jetzt übersandte Rechnung zu begleichen. Sobald das Geld auf dem falschen Konto eingegangen war, transferierten es die Hacker sofort weiter und verwischten so ihre Spuren. Um sich mehr Zeit zu verschaffen, gingen einige der Täter sogar soweit, auch nach dem Geldtransfer die E-Mail-Accounts zu kontrollieren. Sie erfanden „erklärende“ Auskünfte darüber, warum die Überweisung an die Galerie noch nicht erfolgt war. Die über die Presse bekannten Schadensummen liegen zwischen 11.000 und 1,1 Millionen Euro.

Neben dem direkten finanziellen Schaden durch diese Betrügereien ist der geschäftsschädigende Imageverlust – insbesondere in einem so von Vertrauen getragenen Markt wie dem Kunstsektor – als fast noch gravierender anzusehen. Als Beleg dafür mag eine Studie aus einem anderen, ebenfalls von Vertrauen geprägten Markt gelten: In Großbritannien haben laut dieser Studie etwa 50 Prozent der Befragten angegeben, dass sie sich als Kunden einer Bank infolge einer entsprechenden Cyberattacke auf das Geldhaus intensiv damit beschäftigen würden, das Institut zu wechseln.
 

Perfektes falsches „Original“ dank künstlicher Intelligenz

Für internationales Aufsehen sorgte Ende des vergangenen Jahres die Versteigerung des „Porträt von Edmond de Belamy“ bei Christie‘s für 432.500 Dollar. Obwohl es von seiner Art her im Klassizismus angesiedelt werden könnte, ist der „Edmond“ nicht etwa das Werk eines bedeutenden Künstlers dieser Epoche, sondern lediglich ein Mitglied einer elfköpfigen fiktiven Adelsfamilie, deren Porträts allesamt auf dem Computer entstanden sind. Die Programmierer haben hierfür ihre Künstliche Intelligenz (KI) mit 15.000 Porträts des 14. bis 20. Jahrhunderts „gefüttert“.

Dass der Einstiegspreis von 10.000 Dollar in der Auktion um mehr als das 40-Fache übertroffen wurde, mag noch verblüffen. Nicht verblüffend ist aber, dass die Programmierer – wohl selbst überrascht von dem Resultat – einen Streit über die Urheberschaft und darüber, wer den entscheidenden Input lieferte, anstrengten.
 

Digitale Hilfe im Kampf gegen Fälschungen

Inwieweit sich die neuen digitalen Möglichkeiten zukünftig auch negativ in puncto Kunstfälschungen auswirken, ist zurzeit nicht absehbar. Aber gleichzeitig ermöglicht die digitale Technik auch erhebliche positive Fortschritte, zum Beispiel im Kampf gegen Gemäldefälschungen. Eine neu entwickelte Methode an dieser Stelle ausführlich darzustellen, lässt der Platz nicht zu, hier daher eine Kurzfassung: Ein Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hat ein Verfahren entwickelt, das anhand des Gehalts des Kohlenstoff-Isotops C14 bestimmen kann, wann die Samen geerntet wurden, die zur Herstellung der auf ein Bild aufgetragenen Ölfarbe verwendet worden sind. Mit dieser Methode kann im Zweifelsfall die Datierung eines Exponates – und somit die Überprüfung „Original oder Fälschung“ – sehr exakt vorgenommen werden. Da den Forschern hierfür zehn millionstel Gramm an Farbprobe ausreichen, ist zudem der Eingriff in die Gemäldestruktur minimal.
 

Lukratives Werk der Computerviren

Davon abgesehen gibt es natürlich auch eine künstlerische Annäherung an die Themen Digitalisierung und Cybergefahren. Viele Computernutzer weltweit haben schon unfreiwillig die Bekanntschaft mit Computerviren gemacht, der Künstler Guo O Dong hingegen hat ein Notebook absichtlich mit den sechs aggressivsten Viren und Malware-Programmen infiziert. Beobachter konnten dem Notebook auf der Internetseite „The Persistence of Chaos“ bei der Selbstzerstörung zusehen, am 27. Mai wurde das gleichnamige Werk für die Summe von 1,345 Millionen Dollar versteigert.

Wie eingangs erwähnt, ist die Digitalisierung ein allgegenwärtiges Thema und wird in ihrer Zwangsläufigkeit auch in den Alltag der Kunstwelt und des Kunstmarktes Einzug halten. Fine Art Business Partner wird hierbei an der Seite seiner Kunden sein und gemeinsam mit der Expertise der gesamten Ecclesia Gruppe die für Ihr Risikoprofil individuell richtigen Absicherungslösungen finden.

Oliver Behrens
oliver.behrens@ecclesia-gruppe.de