Durch die unachtsame Verteilung der Muttermilchflaschen im Krankenhaus sind schwerwiegende Folgen für Neugeborene möglich.

Fall 1: Muttermilch ist falsch, aber nicht mit Keimen belastet

Auf der Neugeborenenstation füllen Krankenschwestern mehrere Muttermilchflaschen für verschiedene Neugeborene ab und stellen sie für die Verteilung auf die Zimmer bereit. Bei der Verteilung kommt es zu einer Verwechslung der Flaschen, sodass die Muttermilch einer jungen Mutter nicht dem eigenen Säugling, sondern einem fremden Säugling gefüttert wird. Nachdem der Fehler bemerkt wird, entnimmt der Stationsarzt der Neonatologie der jungen Mutter eine Blutprobe, um mögliche ansteckende Krankheiten ausschließen zu können. Das Ergebnis der Blutuntersuchung ist zum Glück negativ. Der fremde Säugling hat durch die Verabreichung der „falschen“ Muttermilch keine Gesundheitsschäden erlitten. Die Eltern melden keine persönlichen Schadenersatzansprüche an und der Vorgang kann durch Erstattung der angefallenen Laborkosten erledigt werden.
 

Fall 2: Zwillinge werden über die fremde Muttermilch infiziert

Während der Nachtschicht taut eine Krankenschwester die Muttermilch mehrerer Mütter auf und füllt sie portionsweise um. Hierbei etikettiert sie die Flaschen versehentlich falsch. In der anschließenden Frühschicht verfüttert eine andere Krankenschwester somit die Muttermilch einer fremden Kindsmutter an Zwillinge. Die Verwechslung fällt erst in der Spätschicht auf, als eine Schwester bemerkt, dass auf einer verbliebenen Portionsflasche Deckel und Flasche mit unterschiedlichen Namen etikettiert sind.

Daraufhin wird bei der fremden Kindsmutter Blut für eine serologische Untersuchung entnommen. Im Labor werden Hepatitis-B-Erreger im Blut nachgewiesen. Die Zwillinge erhalten postexpositionelle aktive und passive Hepatitis-B-Impfungen und werden im weiteren Verlauf engmaschig kontrolliert und behandelt. 

Die Zwillingseltern fordern für die Zwillinge ein angemessenes Schmerzensgeld. 

Durch die Verwechslung der Muttermilch entstehen zusätzliche Behandlungskosten. Das Krankenhaus zahlt den Eltern Schmerzensgeld von 6.000 Euro und die Anwaltskosten in Höhe von gut 1.800 Euro.
 

Maßnahmen zur Prävention:

  • Es gibt ein Verfahren zum „Umgang mit gewonnener Muttermilch“ und/oder ein „Verfahren zur Applikation von Muttermilch bei Nicht-Stillkindern“. Unter anderem sind folgende Punkte enthalten:
    • Kennzeichnung von Muttermilch
    • Handlungsschema bei Verwechslungen von Muttermilch
    • Hygienevorschriften
  • Die Eltern erhalten ein Merkblatt mit den wichtigsten Hinweisen zum Umgang mit Muttermilch.
  • Die Beschriftung der Muttermilchflasche erfolgt durch die Mutter selbst.
  • Die Beschriftung der Muttermilchflasche erfolgt am Gefäß und nicht am Flaschendeckel.
  • Eine vollständige Beschriftung der Muttermilchflasche enthält Vor- und Zuname des Kindes sowie Datum und Uhrzeit der Milchgewinnung.
  • Bei Entgegennahme der Flasche kontrolliert qualifiziertes Personal das von der Mutter beschriftete Etikett (Vier-Augen-Prinzip).
  • Die Flaschen mit gewonnener Muttermilch werden von qualifiziertem Personal zur Sammel- und/oder Aufbewahrungsstelle gebracht.
  • Das Stellen der Muttermilch erfolgt analog zum Stellen von Medikamenten im Vier-Augen-Prinzip.
  • Die Lagerung an der Sammel- und/oder Aufbewahrungsstelle ist übersichtlich und ermöglicht eine gezielte Entnahme der Muttermilchflaschen.

    Maßnahmen nach Vertauschung der Muttermilch:

    • Eine Risikoaufklärung der Eltern erfolgt zeitnah nach dem Entdecken der vertauschten Muttermilch. 
    • Mit Einverständnis der muttermilchspendenden Frau und der Eltern des Neugeborenen, das die vertauschte Milch bekommen hat, wird der jeweilige Infektionsstatus überprüft. Die Ergebnisse werden den Eltern mitgeteilt.

    Michael Behrens, Vera Triphaus, Nicole Manig-Kurth