Heute im Blick: Tod eines Kindes in der Notaufnahme
Wie unterscheidet man dringende von weniger dringenden Fällen? Welche Auswahl treffen Ärzte und Pflegekräfte? Nicht nur zu Corona-Zeiten stehen diese Fragen und Triage-Systeme im Fokus der Krankenhäuser – und der Haftpflichtversicherungen. Gibt es ein System, das dabei hilft, die Umstände eines Notfalles so schnell wie möglich zu erkennen?

Ein besonders tragischer Fall, der mit dem Tod eines kleinen Kindes endet, macht das Dilemma deutlich, in dem sich Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte in Rettungsstellen und Notfallambulanzen befinden.

Der Fall

Die Mutter und ein einjähriges Kind, das unter einem angeborenen Herzfehler leidet, stellen sich in der Notfallambulanz eines Kinderkrankenhauses vor. Dem Kind geht es schlecht, es hat Fieber und muss sich erbrechen. In den Wintermonaten ist die Notfallambulanz stark frequentiert. Erst nach mehreren Stunden wird das Kind klinisch untersucht, der Arzt sieht keinen akuten Handlungsbedarf. Anscheinend geht es dem Kind wieder etwas besser. Ein Befall der Lunge ist klinisch nicht festzustellen. Der Arzt geht davon aus, dass das Kind wie auch seine Mutter unter einem leichten viralen Infekt leidet. Eine Röntgenuntersuchung sowie eine umfangreiche Labordiagnostik veranlasst er nicht. Auch den Oberarzt zieht er nicht hinzu. Das Angebot, sie und das Kind stationär aufzunehmen, lehnt die Mutter ab. Ihr wird mitgeteilt, dass sie sich bei einer Verschlechterung wieder vorstellen solle. Während des gesamten Zeitraums gibt das Kind keinen Urin ab.

Die Verschlimmerung

Da sich der Gesundheitszustand des kleinen Kindes zu Hause zunehmend verschlechtert, macht sich sein Vater mit dem Einjährigen zu nachtschlafender Zeit erneut auf den Weg zur Notfallambulanz. Sein Kommen kündigt der Vater der Klinik nicht an. In der Notfallambulanz betätigt er die Klingel und reiht sich bei den wartenden Patienten ein. Das Kind ist sehr still. Der Vater wartet mehr als eine Stunde, ohne sich bemerkbar zu machen. Als er schließlich aufgerufen wird, geht der Arzt zunächst davon aus, dass das Kind schläft. Bei der Untersuchung stellt der Arzt fest, dass das Kind nicht mehr atmet. Auch sofort durchgeführte und lang andauernde Wiederbelebungsmaßnahmen können das Leben des Kindes nicht mehr retten. Es verstirbt an den Folgen einer eitrigen Bronchitis in Zusammenwirken mit dem angeborenen Herzfehler. Der Versicherer leistet eine Entschädigung von weniger als 5.000 Euro.

Maßnahmen zur Prävention
Ersteinschätzung

  • Die Ersteinschätzung von Patienten in der Notaufnahme erfolgt unmittelbar nach deren Eintreffen durch Mitarbeitende mit spezieller Fachkompetenz und praktischer Erfahrung.
  • Die Ergebnisse der Ersteinschätzung werden zusammen mit den daraus abgeleiteten Erstmaßnahmen in einer gut strukturierten Dokumentationsvorgabe notiert. Eine eindeutige Priorisierung der Patienten ist ersichtlich.

Dringlichkeitsstufen

  • Die Ersteinschätzung bei Kindern, die zu einer Notfallbehandlung ins Krankenhaus kommen, führt zu einer Eingruppierung in Dringlichkeitsstufen. Die Behandlungsprioritäten werden nachvollziehbar festgelegt (zum Beispiel mittels Manchester-Triage-System, das inhaltlich an die Notfallbehandlung von Kindern und Säuglingen adaptiert wurde; Beispiel: genereller Indikator Körpertemperatur, Allgemeinzustand, Alter des Kindes, Petechien, Hautkolorit, Meningismuszeichen, Krankheitsdauer).
  • Die Eingruppierung in Dringlichkeitsstufen bei Notfallpatienten wird in definierten Zeitintervallen wiederholt.

Wartezeit

  • Verzögert sich die Behandlung eines Patienten, werden die erforderlichen Überwachungsmaßnahmen während der Wartezeit protokolliert.
  • Die Wartezone in der Notaufnahme ist für Mitarbeitende des Teams einsehbar.
  • Eine Rufanlage ist für den Notfall im Wartebereich und in den Toiletten installiert und das Signal kann jederzeit wahrgenommen werden.

Fachspezifischer Notfall

  • Für andere fachspezifische Notfälle (zum Beispiel pädiatrische Notfälle) sind dokumentierte Handlungsempfehlungen vorhanden, die eine zeitnahe und fachkompetente Erstversorgung gewährleisten und sich an externen Vorgaben zur Diagnostik und Behandlung orientieren.
  • Die Diagnose stellt ein Facharzt, oder sie wird durch einen Facharzt überprüft. Die fachärztliche Behandlungsqualität ist sichergestellt.
  • Es sind Regeln für die Hinzuziehung von Ärzten aus der eigenen und anderen Fachabteilungen festgelegt.
  • Bei der zweiten Vorstellung eines Patienten/Kindes in der Notaufnahme innerhalb von 24 Stunden wird grundsätzlich ein Facharzt hinzugezogen. Hat das Krankenhaus keine angegliederte Pädiatrie, so wird eine schnellstmögliche Verlegung des Kindes in eine pädiatrische Klinik veranlasst.
  • Für besondere Situationen (unvorhergesehene Komplikationen, mehrere Aufnahmen zeitgleich etc.) gibt es Regelungen, die eine sichere Versorgung der Patienten entsprechend der individuellen Dringlichkeit gewährleisten.
  • Notfallpatienten/Kinder mit unklarer Diagnose bleiben bis zur endgültigen Klärung in einem Behandlungsraum der Notaufnahme/Notfallambulanz.

Dietmar Schulz
dietmar.schulz@ecclesia-gruppe.de

Nicole Manig-Kurth
nicole.manig-kurth@ecclesia-gruppe.de