Fragen und Lösungsansätze zur Absicherung der (Haftungs-)Risiken

Roboterassistierte Chirurgie hat sich weltweit etabliert und nimmt weiter zu. Dabei wird die sogenannte „Konsolenchirurgie“ neben der Herzchirurgie auch auf andere Operationsfelder wie die Hals- und Wirbelsäulenchirurgie ausgedehnt. Dazu kommt eine weitere Technologie, der 3D-Druck, in der Medizin derzeit vor allem ein Thema in vielen Forschungsprojekten. Ass. jur. Daniel Schaefer, Jurist und Produktmanager in unserer Unternehmensgruppe, geht den Fragen nach: Wie verhalten sich diese beiden Neuerungen in der medizinischen Behandlung im haftungsrechtlichen Kontext? Und wie können etwaige Haftungsrisiken versichert werden?
 

Chirurgie-Roboter – arzthaftungsrechtliche Einordnung

Grundsätzlich müssen im Falle einer Schädigung des Patienten vertragliche und deliktische Ansprüche geprüft werden.
 

a) vertragliche Haftung

Welche vertragstypischen Pflichten im Rahmen eines Behandlungsvertrages bestehen, regelt § 630a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Demnach hat die Behandlung nach den allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, die zum Zeitpunkt der Behandlung bestehen – soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde (§ 630a Abs. 2 BGB). Eine abweichende Vereinbarung kann sich bei der Anwendung einer neuartigen Behandlungsmethode ergeben, was beispielhaft an der Rechtsprechung zum Chirurgie-Roboter-System „Robodoc“ verdeutlicht werden kann.
 

Beispiel „Robodoc“

In den 1990er Jahren kam das System „Robodoc“ erstmals für die rechnergestützte Implantation von Hüftgelenken in Deutschland zum Einsatz. Vor allem notwendige Fräsarbeiten wurden von dem Chirurgie-Roboter errechnet und durchgeführt. Es kam zu Beschwerden und Klagen von Patientinnen und Patienten, welche das Robodoc-System als fehlerbehaftet ansahen und einen Schaden geltend machten. Letztlich entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2006 grundlegend über die Anforderungen an die Behandlung mit diesem System.1

So begründet die Wahl einer sogenannten Neulandmethode per se keinen Behandlungsfehler. Der Bundesgerichtshof führt hierzu in seiner jüngeren Entscheidung vom 30. Mai 2017 aus:

„Die Anwendung von nicht allgemein anerkannten Therapieformen ist rechtlich grundsätzlich erlaubt.2 Es kann dahingestellt bleiben, ob dies schon deswegen der Fall sein muss, weil sich eine Beschränkung der Methodenfreiheit aus Rechtsgründen als Hemmnis des medizinischen Fortschritts bzw. als Stillstand der Medizin darstellen würde. Entscheidend ist, dass jeder Patient, bei dem eine von der Schulmedizin nicht oder noch nicht anerkannte Methode angewendet wird, innerhalb der durch die §§ 138 BGB, 228 StGB gezogenen Grenzen eigenverantwortlich entscheiden kann, welchen Behandlungen er sich unterziehen will.“3

Dies setzt allerdings eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung voraus. Die Behandelnden sollten ihr darum besondere Beachtung schenken. Insbesondere muss der Patientin beziehungsweise dem Patienten auch verdeutlicht werden, dass bei der Anwendung von Neulandmethoden bislang unbekannte Risiken auftreten können.
 

b) deliktische Haftung

Neben der vertraglichen Haftung kommt für den Behandelnden auch eine deliktische Haftung in Betracht. Hier ergibt sich die Besonderheit, dass die gängigen Chirurgie-Roboter-Systeme (zum Beispiel „DaVinci“) an einer Konsole gesteuert werden. Bei derartigen Systemen handelt es sich somit um Medizinprodukte.4 Werden Medizinprodukte eingesetzt, besteht nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) ein Haftungsrisiko für den Hersteller des Medizinproduktes – ebenso wie für den Anwender und Betreiber des Produktes.5 Wer schuldhaft gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezwecken soll, ist diesem zum Schadenersatz verpflichtet. Unter „Gesetz“ im deliktischen Sinn wird jede Rechtsnorm verstanden, weshalb auch ein schuldhafter Verstoß gegen die Medizinprodukte-Betreiberverordnung – insbesondere § 4 MPBetreibV – eine Haftung gegenüber einer Patientin oder einem Patienten auslösen kann.
 

Zwischenfazit: Aufklärungsgrundsätze besonders beachten

Das mit einer medizinischen Behandlung verbundene Haftungsrisiko wird von der Berufs- und Betriebshaftpflichtversicherung des behandelnden Arztes oder des Krankenhausträgers erfasst. Durch das Betreiben und Anwenden eines Medizinproduktes ergibt sich ein krankenhaustypisches Haftungsrisiko, welches ebenfalls vom Deckungsumfang der Berufs-/Betriebshaftpflichtversicherung eines Arztes/Krankenhauses erfasst ist. Für den Einsatz eines Chirurgie-Roboters besteht  daher kein Anpassungsbedarf in der Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung. Aus haftungsrechtlicher Sicht sollten die Aufklärungsgrundsätze für Neulandmethoden berücksichtigt werden.
 

3D-Druck – arzthaftungsrechtliche Einordnung

Die Einsatzmöglichkeiten des 3D-Druckes in der Medizin reichen von der Herstellung chirurgischen Werkzeugs über individuell angepasste Implantate bis hin zum Bio-Printing oder der Arzneimittelherstellung.

Soweit eine Behandlung mittels eines eigenen 3D-gedruckten Medizinproduktes nicht den anerkannten Therapieformen entspricht, greifen die oben dargestellten Grundsätze zur Haftung für Neulandmethoden. Diese Behandlungen sind erlaubt, sofern eine sorgfältige und gewissenhafte Methodenwahl ebenso wie eine ausführliche Aufklärung der Patientin oder des Patienten vorausgesetzt werden können.

Abweichend zum Einsatz von Chirurgie-Robotern kann die Eigenherstellung von 3D-Drucken in der Medizin jedoch eine Produkthaftung für das Medizinprodukt begründen. Haftungssubjekt ist dabei grundsätzlich die Herstellerin bzw. der Hersteller, die benannte Stelle oder eine Bevollmächtigte bzw. ein Bevollmächtigter. Die Abgrenzung der Herstellereigenschaft für einen 3D-Druck ist noch nicht abschließend geklärt. Die Diskussion beinhaltet
 

  • die Herstellerinnen bzw. Hersteller des Druckers,
  • die Herstellerinnen bzw. Hersteller des Druckmaterials,
  • die Programmiererinnen bzw. Programmierer der Drucker-Software,
  • die Erstellerinnen bzw. Ersteller der Druckvorgaben (CAD Datei) sowie
  • die Nutzerinnen bzw. Nutzer des Druckers.

Eine Legaldefinition findet sich im Zusammenhang mit Medizinprodukten in § 3 Nr. 15 MPG: „Hersteller ist die […] Person, die für die […] Herstellung […] eines Medizinproduktes […] im eigenen Namen verantwortlich ist, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Person ausgeführt werden.“

Das konventionelle Produkthaftungsrisiko besteht in dem Haftungsumfang von § 1 ProdHaftG. Demnach haftet der Hersteller für Personen- und Sachschäden, die durch einen Produktfehler verursacht wurden. Das konventionelle Produkthaftungsrisiko ist regelmäßiger Bestandteil der Berufs- und Betriebshaftpflichtversicherung im Gesundheitswesen, da dort die Personen- und Sachschäden versichert sind, die durch die Versicherungsnehmerin bzw. den Versicherungsnehmer verursacht wurden. Regelmäßig außen vor bleibt im Versicherungsschutz der Krankenhäuser bislang jedoch die Absicherung des erweiterten Produkthaftungsrisikos, welches insbesondere für Prüf- und Sortierkosten sowie Ein- und Ausbaukosten einen Schutz gegen echte Vermögensschäden bietet.

Auch wenn im Zusammenhang mit Kosten für den Austausch von implantierten Medizinprodukten (Herzschrittmachern, Brustimplantaten etc.) eine versicherungsrechtliche Zuordnung zur konventionellen oder erweiterten Produkthaftpflichtversicherung im Einzelfall schwierig ist,empfiehlt sich zum derzeitigen Zeitpunkt je nach Medizinprodukt eine Absicherung durch eine erweiterte Produkthaftpflichtdeckung.
 

Fazit: Das Haftungsrisiko ist vergrößert

Während der Einsatz von Chirurgie-Robotern vom Umfang der üblichen Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherungen erfasst wird, kann die Herstellung von Medizinprodukten mittels eines 3D-Druckers eine Erweiterung des Haftungsrisikos bedeuten, gerade im Hinblick auf reine Vermögensschäden. Hierzu gilt es, den konkreten Einsatzbereich eines 3D-Druckes in der Medizin zu prüfen und daran anschließend über den Risikotransfer zu entscheiden. Wir beraten Sie gern dazu.

Daniel Schaefer
daniel.schaefer@ecclesia-gruppe.de


1 BGH, Urteil v. 13.06.2006 – VI ZR 323/04.

2 vgl. BGH, Urteil v. 29.01.1991 - VI ZR 206/90, BGHZ 113, 297, 301 "Ozon-Therapie"; vom 13.06.2006 - VI ZR 323/04, BGHZ 168, 103 "Robodoc" und vom 22. Mai 2007 - VI ZR 35/06,BGHZ 172, 254 "Racz-Katheder", jeweils mwN.

3 BGH, Urteil vom 30. Mai 2017 – VI ZR 203/16.

vgl. § 3 Nr. 1 Medizinproduktegesetz (MPG).

5 § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Schutzgesetz.

6 Schaden wegen Körperverletzung bejaht durch Europäischen Gerichtshof, Urteil vom 5. März 2015, C‑503/13; offengelassen aber tendenziell bejahend, BGH, Urteil vom 27. Februar 2020, VII ZR 151/18.