Medikationsfehler sind weiterhin eine der Hauptursachen für vermeidbare Schäden im Gesundheitswesen. Darauf hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) anlässlich des Tags der Patientensicherheit am 17. September 2022 hingewiesen. Rund 250.000 Krankenhauseinweisungen seien jährlich auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückzuführen, berichtete Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des APS. In Deutschland verursachten Medikationsfehler rund 1,8 Millionen zusätzliche Krankenhaustage und Kosten von rund 600 Millionen Euro pro Jahr. Dabei wären mehr als die Hälfte aller arzneimittelbezogenen Krankenhausaufenthalte vermeidbar. Der Welttag der Patientensicherheit stand unter dem Motto „Sichere Medikation“.

Für das APS ist der Arzneimittelprozess daher ein Hochrisikoprozess, der besondere Anforderungen an die Beteiligten stellt – insbesondere auch sektorenübergreifend. Dr. Peter Gausmann, Geschäftsführer der GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung aus unserer Unternehmensgruppe und Vorstandsmitglied des APS, verwies in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Informationen, die das Bündnis herausgegeben hat. Es liefert gesprächsunterstützende Materialien für Ärztinnen und Ärzte, Tipps zum häuslichen Umgang mit Arzneimitteln oder zur sicheren Medikamentengabe im Krankenhaus. Handlungsempfehlungen dieser Art sind das Herzstück der Arbeit des APS. Sie entstehen in ehrenamtlich tagenden Arbeitsgruppen, zu denen die entsprechenden Fachleute zusammenkommen. Dr. Gausmann vertritt den Vorstand des APS beispielsweise in der Arbeitsgruppe Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS).

„Digitalisierung in der Medizin kann die Patientensicherheit in vielerlei Hinsicht unterstützen“, sagte Dr. Peter Gausmann. Digitalisierte Prozesse könnten eine Patientenverwechslung oder eine falsche Medikamentengabe verhindern helfen – beides seien zentrale Sicherheitsprobleme. So könne die elektronische Patientenakte (ePA) Kommunikationsfehler vermeiden. Ein Verwechslungsrisiko lasse sich durch den Einsatz von RFID (Radio-Frequency Identification) und Barcodes verhindern. Damit könnten Blutkonserven, Medikamente und Behandlungslisten eindeutig einer Patientin oder einem Patienten zugeordnet werden. Die neuen Technologien verlangten aber auch hohe Sensibilität und Kompetenz in der Anwendung.

Die gezielte Sensibilisierung aller Beteiligten für mögliche Risiken im Medikationsprozess sieht Dr. Gausmann als einen Schlüssel für eine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit an. Darüber hinaus müssten Sicherheitsstrategien für Medikamente sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für die Dienstleistenden im Gesundheitswesen leicht zugänglich sein. In diesem Zusammenhang verlangte er für eine sichere Kommunikation mehr Multilingualität und eine stärkere Berücksichtigung individueller Patienteneigenschaften wie Alter, Gewicht, Geschlecht und Vorerkrankungen in der Arzneimitteltherapie.

APS-Vorstandsmitglied Constantin Grosch wies darauf hin, dass für Patientinnen und Patienten mehr Angebote geschaffen werden müssten, um das eigene Gesundheitswissen zu stärken. Er riet den Patientinnen und Patienten, im eigenen Interesse beim nächsten Arzt- oder Apothekenbesuch einen Medikationsplan dabei zu haben, damit die Fachleute potenzielle Wechsel- und Nebenwirkungen sofort identifizieren könnten. Außerdem ermunterte er Patientinnen und Patienten, Fragen zur Wirkweise der verordneten Medikamente zu stellen, auf Beschwerden zu achten, Allergien und Unverträglichkeiten zu erwähnen. Denn für eine sichere Medikation müssen alle Seiten Hand in Hand arbeiten, unterstrich Birgit Vogt, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation und Referentin für Arzneimitteltherapiesicherheit bei der Bundesärztekammer.

Letztlich könnten die Prozesse und Instrumente noch so sicher sein, entscheidend sei die gelebte Sicherheitskultur im Gesundheitswesen, sagte Dr. Ruth Hecker. Deshalb sei es an der Zeit, diesem zentralen Faktor die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die ihm gebühre.