Kein Strom, kein Handyempfang, kaputte Straßen und zerstörte Brücken: Ein Feuerwehrmann gibt persönliche Einblicke in die desolate Lage nach dem Hochwasser.

Normalerweise arbeitet Matthias Schnülle im Vertragsservice des Ecclesia Gruppe Assekuranz- Service (EGAS) – ein klassischer Büroarbeitsplatz. Der Umgang mit Versicherungspolicen ist sein täglich’ Brot. Aber als freiwilliger Feuerwehrmann steht der 32-Jährige immer parat, wenn Hilfe gefragt ist. Diese Bereitschaft hat ihn und andere Mitarbeitende unserer Unternehmensgruppe mitten in die Hochwasserkatastrophe geführt.

Amtshilfe nach Tief „Bernd“ im Hochwassergebiet

Am 14. Juli verfolgt Matthias Schnülle besorgt die Wettervorhersagen, wann immer es die Arbeit zulässt. Tief „Bernd“ hängt über dem Land. Anhaltender Starkregen ist für Teile Westdeutschlands angesagt. Es gibt bereits Berichte über Überschwemmungen in Hagen, auch in anderen Gebieten stehen Straßen und Keller unter Wasser, Bahngleise sind unterspült worden, Autobahnen stellenweise nicht mehr passierbar.

Matthias Schnülle ist stellvertretender Gruppenführer der Löschgruppe Wahmbeck in Lemgo. Sie gehört mit ihrem Löschfahrzeug zur sogenannten Bezirksreserve. Bei Großschadenslagen können die Feuerwehrleute zur Unterstützung der Einsatzkräfte im betroffenen Gebiet eingesetzt werden. Am 14. Juli gegen 21 Uhr erreicht den Oberbrandmeister der Alarm.

Er eilt zum Feuerwehrgerätehaus; um Mitternacht rückt die Bezirksbereitschaft 4 der Bezirksregierung Detmold in einem Konvoi aus. Der Auftrag: Amtshilfe im Kreis Euskirchen, 250 Kilometer entfernt. Voraussichtliche Einsatzdauer: mehr als 48 Stunden.

Unterstützung vor Ort

„Wir wussten nicht, was uns im Einsatzgebiet erwartet. Aber als wir in Euskirchen eintrafen, merkten wir, wie bedrohlich die Lage war, überall roch es stark nach Heizöl“, berichtet der Feuerwehrmann. Leitungen sind geborsten, Tanks vom Hochwasser zerstört worden. Die komplette Infrastruktur im Einsatzgebiet ist zusammengebrochen. Der Strom ist aus Sicherheitsgründen abgestellt worden, das Handy- und das Telefonnetz sind nicht mehr in Takt, auch die Wasserversorgung funktioniert in Teilen nicht mehr.

Vor Ort wird der Konvoi auf verschiedene Einsatzstellen aufgeteilt: Einige Mannschaften und ihre Fahrzeuge werden eingesetzt, um Keller auszupumpen oder Unterführungen und Straßen von den Wassermengen zu befreien. „Wir haben unter anderem eine Tiefgarage eines Einkaufszentrums in der Euskirchener Innenstadt ausgepumpt. Da standen noch Autos, zum Glück waren keine Menschen mehr darin“, sagt Matthias Schnülle.

Die Feuerwehren vor Ort sind nicht mehr in der Lage, die Situation zu bewältigen: die Fahrzeuge stecken teilweise in den Fluten fest, die Feuerwehrhäuser sind beschädigt und die Einsatzkräfte am Ende ihrer Leistungsfähigkeit. Matthias Schnülle schildert, welche Aufgaben und Schwierigkeiten für seine Truppe daraus erwachsen sind: „Wir unterstützten bei der Wache und wurden zum Grundschutz des Stadtgebietes und der Ortschaften östlich der Erft eingeteilt. Zum Glück passierten keine Brände. Denn wir kannten uns vor Ort nicht aus, und viele Straßen waren nicht mehr passierbar.“

Evakuierung von Ortschaften

Innerhalb des Einsatzes erledigt der Oberbrandmeister mit seiner Gruppe noch weitere Aufgaben. Er fährt in die Euskirchener Ortschaft Kirchheim und erkundet abgelegene Häuser in der Nähe der bruchgefährdeten Steinbachtalsperre. Es gibt bis dahin keine Informationen über die Situation in diesem Gebiet. Als sich später die Lage an der Talsperre verschlechtert, müssen drei Orte evakuiert werden. „Wir haben Durchsagen von unserem Fahrzeug aus gemacht, Fußtrupps gingen durch die Straßen. Die Menschen hatten Angst und waren verunsichert. Denn wegen der kaputten Telefonleitungen und des zusammengebrochenen Netzes verfügten sie über keine Informationen. Es kursierten bereits viele Falschmeldungen“, erinnert sich Matthias Schnülle. „Auch wir hatten schlechten Funk- und keinen Handyempfang und bekamen nur sehr wenige Informationen. Zum Glück war in unserem Einsatzfahrzeug noch ein UKW-Radio eingebaut, sodass wir die aktuellen Nachrichten verfolgen konnten.“ Die Feuerwehrleute sind die einzigen, die wichtige Meldungen weitergeben können. „Für uns war die Situation mental sehr schwierig. Wir gingen von Haus zu Haus und baten die Menschen ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen.“ Aber die Anwohner vertrauen den Feuerwehrleuten und zeigen Verständnis.

Räumung einer Klinik

Altenheime und Krankenhäuser müssen aufgrund der zerstörten Strom- und Wasserversorgung evakuiert werden. Matthias Schnülle und weitere Feuerwehrleute helfen so schließlich bei der Räumung einer Klinik. Sie unterstützen bei der Verlegung von 27 Patientinnen und Patienten ins Marien-Hospital Euskirchen. Durch ihre Hilfe können die Betroffenen auch ihre persönlichen Sachen und ihr Gepäck mitnehmen.

Das Erlebte verarbeiten

Noch immer hallen die Erlebnisse aus dem Flutgebiet nach. „Die Lage war verheerend. Die Betroffenen konnten die Situation kaum begreifen. Die Bilder von den vielen beschädigten Häusern, Autos und kaputten Straßen werden mir noch lange in Erinnerung bleiben“, sagt Matthias Schnülle. In Gesprächen mit Angehörigen anderer Rettungseinheiten bekamen die Feuerwehrleute aus Lippe immer wieder Einblicke in bedrohliche Situationen, die sie selbst zum Glück nicht erleben mussten. „Das Pumpen von Wasser ist kein harter Job, denn die Arbeit machen die Pumpen. Aber die Geschichten und Schicksale der Menschen und auch der Schlafmangel sind extrem belastend“, erläutert der Feuerwehrmann.

Dennoch nimmt er die ehrenamtliche Aufgabe gern wahr. „Wir sind dafür da, um Menschen zu retten, Brände zu löschen, zu bergen und zu schützen. Dafür trainieren wir“, unterstreicht er. Er weiß zudem sehr zu schätzen, dass unsere Unternehmensgruppe ihn und andere freiwillige Helferinnen und Helfer für solche Anforderungen freistellt. Das sei nicht selbstverständlich. „Meine Kolleginnen und Kollegen bei der EGAS ermöglichen mir, an solchen Hilfseinsätzen teilzunehmen. Wenn ich für andere Menschen im Einsatz bin, übernehmen sie meine Aufgaben. Dafür bin ich dankbar“, sagt der ehrenamtliche Feuerwehrmann.

Ann-Cathrin Ohm
ann-cathrin.ohm@ecclesia-gruppe.de