Zum 1. Juni 2021 ist das Gesetz über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften in Kraft getreten. Für Reiseveranstalter bedeutet dies erhebliche Änderungen. Sie müssen die Insolvenzsicherung zum 1. November umstellen. Das kann mit höheren Kosten bei der Kundengeldabsicherung einhergehen. Betroffen sind unter anderem Reiseveranstalter aus den Bereichen Kirche oder der Sozialwirtschaft, wenn diese beispielsweise Jugend- oder Seniorenfreizeiten als Pauschalreisen (Reiseangebot mit Unterkunft und gleichzeitiger Beförderung) anbieten.
Änderungen für Reiseunternehmer
Die Insolvenzsicherung bei Pauschalreisen soll künftig über einen sogenannten Reisesicherungsfonds erfolgen, der sich überwiegend aus Entgelten der Reiseanbieter finanziert.¹ Die Haftungsbegrenzung auf 110 Millionen Euro pro Jahr wird entfallen.
Nicht alle Reiseveranstalter müssen sich über den Sicherungsfonds absichern
Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zur Absicherung über den Reisesicherungsfonds für
- alle Veranstalter, die Pauschalreisen inklusive Beförderung und Vorabinkasso anbieten und
- alle Anbieter, die verbundene Reiseleistungen mit Agenturinkasso vermitteln.
Das Gesetz sieht aber eine sogenannte Opt-out-Funktion für Reiseveranstalter mit einem Umsatz bis zu drei Millionen Euro² sowie für Anbieter mit einem Umsatz zwischen drei und zehn Millionen Euro vor. Sie können die Kundengeldabsicherung wie bisher über eine Versicherung oder Bankbürgschaft sicherstellen. Für Reiseveranstalter mit einem Umsatz ab zehn Millionen Euro besteht hingegen eine Pflichtmitgliedschaft im Fonds.
Nach der Größe des Veranstalters richtet sich auch die Höhe des abzusichernden Umsatzes. Bei Unternehmen mit einem Erlös ab drei Millionen Euro aufwärts sind 100 Prozent des Umsatzes absicherungspflichtig.
Der Umsatz ist dabei definiert als
- der jährliche Umsatz ohne Umsatzsteuer, der mit Pauschalreisen erzielt wird, bei denen Vorkasse besteht oder die die Rückbeförderung des Reisenden umfassen, sowie
- der Umsatz, der mit der Vermittlung verbundener Reiseleistungen mit Agenturinkasso erwirtschaftet wird.
Im Regelfall wird bei der Berechnung der Umsatz des zurückliegenden Geschäftsjahres berücksichtigt. Bei außergewöhnlichen Umständen, wie sie zum Beispiel während der COVID-19-Pandemie geherrscht haben, oder bei der Neugründung eines Reiseanbieters wird auf den prognostizierten Umsatz abgestellt werden.
Während die Haftungsbegrenzung in Höhe von 110 Millionen Euro zukünftig also wegfällt, hat der Gesetzgeber jedoch für die Kundengeldabsicherer – aber nicht für den Reisesicherungsfonds – die Möglichkeit geschaffen, deren Einstandspflicht auf eine Millionen Euro je Reiseanbieter zu beschränken. Dies gilt allerdings nur bei der Opt-Out-Lösung für Reiseanbieter unter einem Umsatz von drei Millionen Euro.
Der neue Reisesicherungsfonds wird mit dem 1. November 2021 aktiv. Die Absicherung erfolgt aber nach Buchungsdatum. Das heißt, der Sicherungsschein wird durch den Absicherer ausgegeben, mit dem ein Reiseanbieter zum Zeitpunkt der Buchung einen entsprechenden Vertrag geschlossen hat. Die Eintrittspflicht besteht bis zum erfolgreichen Abschluss einer gebuchten Reise, also bis zur vollständigen Erbringung der vereinbarten Leistungen durch den Reiseanbieter basierend auf dem Reisedatum. Für alle Neubuchungen ab dem 1. November 2021 gilt die Insolvenzabsicherung über den Reisesicherungsfonds.
Umsatz-Reiseanbieter | Opt-out | Sicherheit Fonds | Kosten an den Fonds insgesamt |
---|---|---|---|
Bis 3 Mio. Euro | ja | 5 % bis 7 % des Umsatzes (max. 1 Mio. Euro) | Ca. 1 % bis 3 % der Sicherungssumme zzgl. 1 % des laufenden Entgeltes |
Bis 10 Mio. Euro | ja | 100 % des Umsatzes | Ca. 1 % bis 3 % der Sciherungssumme zzgl. 1 % des laufenden Entgeltes |
Ab 10 Mio. Euro | nein | 100 % des Umsatzes | Ca. 1% bis 3 % der Sicherungssumme zzgl. 1 % des laufenden Entgeltes |
Mögliche Herausforderungen beim Haftungsübergang
Das neue Gesetz ermöglicht einen Haftungsübergang für schon bestehende Reisebuchungen vom bisherigen Absicherer zum neuen Fonds. Er kann nur zwischen dem 1. November und dem 31. Dezember 2021 erfolgen. Für den Reiseanbieter ist er nach bisherigen Erkenntnissen nicht mit Zusatzkosten verbunden. Es können jedoch Herausforderungen im Rahmen bestehender und künftiger Sicherheiten inklusive Belastungen geltender Kreditlinien entstehen. Denn üblicherweise sind beim bisherigen Kundengeldabsicherer Sicherheiten hinterlegt, zum Beispiel in Form von Bankbürgschaften. Mit Wechsel zum neuen Fonds sind aber auch dort entsprechende Sicherheiten zu hinterlegen. Einige Fragen sind in diesem Zusammenhang derzeit noch offen:
- Gibt der bisherige Absicherer die Sicherheiten so frei, dass diese ab dem 1. November 2021 für die Absicherung durch den Fonds genutzt werden können?
- Wie ist mit geleisteten Sicherheiten zu verfahren, wenn der bisherige Absicherer keinen Haftungsübergang in Anspruch nimmt?
- Wie wird mit Sicherheiten umgegangen, wenn der Haftungsübergang nicht zum 1. November 2021, sondern zu einem späteren Zeitpunkt (spätestens bis zum 31.12.2021) erfolgt?
Zukünftige Kosten der Absicherung
Künftig kommen auf jeden Reiseanbieter Kosten für das Entgelt an den Reisesicherungsfonds und für die vom Fonds geforderte Sicherheit des Reiseanbieters zu. Für das Entgelt sieht das neue Gesetz mindestens ein Prozent aus dem Jahresumsatz eines Reiseanbieters vor. Derzeit steht noch nicht fest, ob die Gebühren jährlich, monatlich oder zu anderen Terminen zu zahlen sind. Gleiches gilt für die Anpassung der Entgelte zwischen Umsatzerwartung und tatsächlichem Umsatz eines Reiseanbieters.
Für die vom Reisesicherungsfonds geforderten Sicherheiten ist im Gesetz zunächst eine Höhe von mindestens fünf Prozent des Jahresumsatzes vorgesehen. Eine Erhöhung der Sicherheit vor dem 1. November 2022 sowie über sieben Prozent des Umsatzes hinaus ist ausgeschlossen. Als Sicherheiten für den Fonds kommen zum Beispiel eine Kautionsversicherung bei einem Versicherungsunternehmen, das im Inland zum Betrieb der Kautionsversicherung befugt ist, oder eine Bankbürgschaft infrage.
Konsequenzen für die Preisfestsetzung und die Weiterbelastung an Endkunden
Reiseanbieter sind berechtigt, die Kosten für die gesetzliche Kundengeldabsicherung bei Pauschalreisen in den Reisepreis zu inkludieren. Ein separater Aufschlag ist hingegen nicht zulässig. Für Reisen, deren Buchung noch unter dem bisherigen Insolvenzrecht erfolgte, deren Abreisetermin jedoch unter das neue Insolvenzrecht fällt, ist keine nachträgliche Preisanpassung vorzunehmen.
Fazit
Jeder Reiseanbieter muss sich bis zum 1. November 2021 um seine zukünftige Kundengeldabsicherung – sei es über den Reisesicherungsfonds oder eine Alternativlösung bei Opt-out-Möglichkeit – gekümmert haben. Welche
Option die wirtschaftlich und organisatorisch gesehen bessere ist, kann letztendlich erst dann beurteilt werden, wenn die jetzigen Kautionsversicherer und Kundengeldabsicherer ihre künftigen Angebote zu Alternativlösungen vorstellen. Einige Versicherer haben diese bereits in Aussicht gestellt. Die von uns betreuten Kunden werden rechtzeitig über neue Angebote informiert. Sollten Sie bereits vorab Beratungsbedarf haben, sprechen Sie unseren Reise-Service jederzeit gerne an: +49 5231 603-6487.
Nina Schaefer
nina.schaefer@ecclesia.de
¹ Bei Redaktionsschluss war noch nicht bekannt, welches Unternehmen den Reisesicherungsfonds zukünftig betreiben wird.
² In diesem Fall gibt es eine Besonderheit hinsichtlich der Absicherung, auf die im übernächsten Absatz gesondert eingegangen wird.
Hinterlassen Sie jetzt einen Kommentar
Keine Kommentare