Das Wort ist lang, die Diskussion über das Thema noch länger: Es geht um die Pflegepersonal­untergrenzen-Verordnung (PpUGV). Die Juristen Marius Reddig und Alexander Bayer aus dem Bereich Financial Lines unserer Unternehmensgruppe führen das von Johannes Jaklin, Fachanwalt im Medizinrecht, im „Monitor“ 1/2019 angestoßene Thema fort. Ihre Leitfrage: Welche direkten geldlichen Folgen für das Krankenhaus werden spürbar, wenn die Grenzen in pflegesen­sitiven Abteilungen nicht eingehalten werden? Und: Ist das durch eine Versicherung gedeckt?



Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass wirtschaftliche Folgen aus der Nichteinhaltung der Untergrenzen zwar grundsätzlich zur Vermögensschadenhaftpflichtversicherung angemeldet werden können, eine Schadenabwicklung muss im Einzelfall anhand der möglichen, aber schwer zu erbringenden Nachweise geprüft werden. Der Ausgang ist ebenso ungewiss wie der Erfolg der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung für die Sicherheit und Qualitätsverbesserung in der Pflege selbst.

Der Vergütungsabschlag ist umstritten

Die PpUGV sieht in Verbindung mit § 137i Sozialgesetzbuch (SGB) V vor, dass das Krankenhaus im Falle einer Unterschreitung der Personaluntergrenzen mit der Vertragspartei nach § 11 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) einen Vergütungsabschlag oder die Verringerung der Fallzahlen vereinbaren muss. Dass dabei Streitigkeiten programmiert sind, versteht sich von selbst. Schließlich haben sich der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft als Verhandlungspartner schon nicht auf genaue Inhalte und Ausmaße der Personaluntergrenzen verständigen können. Gesundheitsminister Jens Spahn hat gerade deshalb die PpUGV im Wege einer Ersatzvornahme erlassen. Da überrascht es nicht, dass sich die Vertragspartner bisher auch nicht auf eine konkrete Abschlagsvereinbarung geeinigt haben. Mit großer Wahrscheinlichkeit muss in Kürze ein Schiedsverfahren eine weitere erzwungene Lösung bringen.

Aber im Juli 2019 müssen die Krankenhäuser den Vertragspartnern nach § 11 KHEntgG und dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus erstmals Abweichungen von den Personaluntergrenzen im Vorquartal anzeigen. Dabei müssen sowohl die durchschnittliche Personalausstattung pro Monat als auch konkrete Grenzunterschreitungen in einzelnen Schichten gemeldet werden. Die Krankenhäuser sind auch verpflichtet, rechtmäßige Abweichungen von den Untergrenzen substantiiert zu begründen – beispielsweise aufgrund von kurzfristigen krankheitsbedingten Personalausfällen, die in ihrem Ausmaß über das übliche Maß hinausgehen. Auch hier dürften sich Uneinigkeiten schnell zeigen.

Ein kleiner Exkurs: Eine Betriebsrechtsschutzversicherung kann bei möglicherweise unvermeidbaren, anstehenden Sozialgerichtsverfahren aus solchen Streitigkeiten eine Kostendeckung für eine rechtsanwaltliche Interessenvertretung gewährleisten.

Ein Schaden ist schwer zu begründen

Vereinbaren die Parteien bei einer Unterschreitung der Personaluntergrenzen einen Vergütungsabschlag für den nicht eingehaltenen Zeitraum, kann dadurch unter Umständen ein Vermögensschaden des Krankenhauses entstehen. Auf den ersten Blick liegt es nahe, hier über eine Kompensation der Einbußen durch eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nachzudenken. Allerdings müssen die Regulierungsvoraussetzungen im Einzelfall dezidiert geprüft werden.

So ist schon nach der im Schadenrecht allgemeingültigen Differenzhypothese schwer zu begründen, dass ein Vermögensschaden vorliegt. Denn es muss ein Vergleich zwischen der Vermögenssituation mit der fehlerhaften Untergrenzeneinhaltung und der Situation bei korrekter Einhaltung gezogen werden – nur ein jetzt negativer Bestand kann als Vermögensschaden betrachtet werden. Dabei sind aber auch nicht sofort erkennbare „Nebenkriegsschauplätze“ zu berücksichtigen. So begründen sich Unterschreitungen der Untergrenzen in der Regel damit, dass nicht ausreichend Personal vorgehalten wurde. Korrekt wäre also gewesen, mehr Personal zu beschäftigen – ob durch Festanstellung, Arbeitnehmerüberlassung oder Honorarbeschäftigung. Da dies aber nicht kostenfrei möglich gewesen wäre, sind die ersparten Personalaufwendungen schadensmindernd zu berücksichtigen und den Vergütungsabschlägen gegenzurechnen.

Einer kostenneutralen Verlagerung von Pflegekräften anderer, nicht der PpUGV unterliegenden Krankenhausstationen wird durch die PpUG-Nachweis-Vereinbarung bis auf wenige Ausnahmen ein Riegel vorgeschoben. Laut Vereinbarung sollen durch dieses Verbot mögliche Verschlechterungen der Versorgungsqualität in betroffenen Bereichen vermieden werden. Die Idee von Personalverschiebungen dürfte sich aber ohnehin von selbst erledigen, wenn der nächste Planungsschritt des Bundesgesundheitsministeriums umgesetzt wird und mit dem „Ganzhausansatz“ in den nächsten Jahren Personaluntergrenzen für alle Krankenhausbereiche eingeführt werden.

Der Fachkräftemangel spielt eine wichtige Rolle

Der Vermögensschaden des Krankenhauses muss zudem durch eine versicherte und schuldhafte Pflichtverletzung einer versicherten Person verursacht worden sein. Die Einordung einer Unterschreitung der Untergrenzen als Pflichtverletzung ist einfach. Schließlich ist eine formale Grenze nicht eingehalten worden. Schwieriger stellt sich die Bewertung der Schuldform dar, die je nach vorgehaltenem Versicherungskonzept entscheidend sein kann. Ist nur reine Fahrlässigkeit versichert, muss sich ein Krankenhausträger die Frage gefallen lassen, ob bei der Nichteinhaltung einer klar vorgegebenen Grenze der Verstoß noch mit dem einfachen Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu erklären ist oder ob nicht bereits ein wissentliches Abweichen von der bekannten Regelung vorliegt. Denkbar ist auch, dass der Versicherer den Verstoß gegen die Untergrenzenfestsetzung bereits als billigende Inkaufnahme von Vergütungsabschlägen bewertet. Gut aufgehoben sind daher Krankenhäuser, die sowohl die sogenannte wissentliche Pflichtverletzung als auch den (nur bedingten) Schädigungsvorsatz mitversichert haben.

Schließlich ist Voraussetzung einer Schadenregulierung, dass die Untergrenzen auch tatsächlich kausal durch ein Organisations- oder anderweitiges Verschulden eines Krankenhausmitarbeiters (Pflichtverletzung) nicht eingehalten wurden. Als Gegenprüfung muss also überlegt werden, ob nachweislich die Untergrenzen eingehalten worden wären, wenn alles richtig gehandhabt worden wäre. Eine Rolle spielt hier der wohlbekannte Fachkräftemangel in der Pflege, der bewirkt, dass es selbst mit erheblichen Anstrengungen oftmals nicht möglich ist, ausreichend Pflegepersonal zu beschäftigen. Ohne dass hier jemandem ein Fehler angelastet werden kann, sind Personalstellen im Pflegebereich regelmäßig nicht besetzt. Dies spielt dem Versicherer in die Karten, der hier auf den nicht abschließend geführten Nachweis der Schadenkausalität verweisen und sich möglicherweise aus einer vollständigen Regulierung der Krankenhauseinbußen herausziehen kann. Es spricht vieles dafür, dass es wegen des Arbeitskräftemangels auf dem Markt schlicht nicht zu vermeiden ist, die Personaluntergrenzen zu unterlaufen.

Marius Reddig
marius.reddig@ecclesia-gruppe.de

Alexander Bayer
alexander.bayer@ecclesia-gruppe.de