Hilfe, es schneit! Der Winter kommt immer wieder für uns alle überraschend. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Nicht zu allen Tages- und Nachtzeiten muss geräumt und gestreut werden. Wann der Schneeschieber zum Einsatz kommen muss, ist höchstrichterlich geklärt.

Folgt auf den Sommer mit bisher noch nie dagewesenen Extremwetterlagen nun ein turbulenter Winter mit Schnee und Kälteperioden? „Prognosen sind eine schwierige Sache – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen“, hat Mark Twain gesagt. Also werden wir das erst im nächsten Frühjahr genau wissen. Dennoch ist es sinnvoll, sich rechtzeitig mit dem Thema Räum- und Streupflicht zu befassen, selbst wenn der Winter milde mit uns umgehen sollte. Dazu hier einige Urteile in der Übersicht.

Wer ist für Schippen und Streuen verantwortlich?

In der Regel übertragen die Städte und Gemeinden die Räum- und Streupflicht auf öffentlichen Gehwegen an die Eigentümer der anliegenden Immobilien. Die können sie an Mieter oder Fremdfirmen weitergeben. Aber auch dabei heißt es: Aufgepasst! Verantwortlich für die Kontrolle bleibt weiterhin der Eigentümer – und er muss den zuständigen Behörden anzeigen, dass die Arbeiten an Dritte übertragen worden sind. Aber auch wenn diese Anzeige vergessen wird, befreit das den Auftragnehmer nicht aus der Haftung. So hat der Bundesgerichtshof schon 2008 geurteilt (AZ: VI ZR 126/07). Das Urteil ist unter www.bundesgerichtshof.de über das Aktenzeichen zu finden.

Wann muss der Schneeschieber geschwungen werden?

Räum- und Streupflichten gelten nicht rund um die Uhr. Sie bemessen sich zum einen natürlich nach Beginn und Ende der Gefahr – etwa durch Glatteis oder Schnee – und zum anderen durch die von Gerichten so genannte „übliche Zeit des Verkehrs“. Die wird definiert als eine Spanne von etwa 7 Uhr morgens bis circa 20 Uhr abends – an Wochenenden von etwa 9 Uhr morgens an. Geschieht innerhalb dieser Zeiten ein Unfall auf einem glatten Zuweg, sind die für die Räum- und Streupflicht Verantwortlichen in der Haftung, unterstreicht das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil (AZ: 9 U 38/12), das in der Datenbank rechtsindex.de zu finden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes setzt die Räumpflicht zudem erst dann ein, wenn anhaltender Schneefall vorüber ist.

Muss auch auf dem öffentlichen Gehweg gestreut werden?

Grundsätzlich ja, wenn die Kommune die Streu- und Räumpflicht auf die Anlieger übertragen hat. Ist das aber nicht der Fall, muss der Anlieger auch nicht den Gehweg freihalten. So hat zuletzt der Bundesgerichtshof (BGH) am 21. Februar 2018 geurteilt. Im vorliegenden Fall war ein Besucher eines Hauses auf einem schmalen nicht geräumten Streifen des Gehwegs gestürzt und wollte Schadenersatz vom Eigentümer des anliegenden Gebäudes haben. Der BGH verwarf die Klage, der Hauseigentümer sei nach der Satzung der Kommune hier nicht in der Pflicht. Die liege bei der Stadt. Und die hatte ihren Gehweg freigehalten, wenn auch nicht auf ganzer Breite. Einen schmalen Streifen zu überqueren, hielt das Gericht aber laut einer Pressemitteilung für zumutbar (VIII ZR 255/16).

Muss ich Parkplätze in Gänze frei geschoben haben?

Öffentliche Parkplätze müssen nicht uneingeschränkt schnee- und eisfrei sein. Einzelne Stellen, an denen es rutschig ist, müssen hingenommen werden, sofern sie umgangen werden können. Selbst wenige Schritte auf nicht geräumtem Areal sind zumutbar. So hat das Oberlandesgericht Koblenz 2012 entschieden (5 U 582/12). In dem zu beurteilenden Fall war eine Bäckerei auf Schadenersatz verklagt worden, weil eine Kundin auf dem weitgehend geräumten Parkplatz an einer Stelle auf einer Eisfläche ausgerutscht war und sich Brüche zugezogen hatte. Die Eisfläche hätte umgangen werden können, die Verkehrssicherheitspflicht wurde nicht verletzt, lautete der Spruch der Richter. So zu lesen in einer Pressemitteilung des Gerichtes, die auch auf olgko.justiz.rlp.de veröffentlicht ist.

Über einen anderen Fall hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine klare Entscheidung gefällt. Durch die Tatsache, dass auf einem vielgenutzten Parkplatz ständig die Pkw auf den einzelnen Stellplätzen wechseln, ist es dem Betreiber (hier dem eines Supermarktes) unmöglich, die Stellflächen von Glatteis zu befreien. Dies gilt im Übrigen auch für die Flächen zwischen den parkenden Autos. Der BGH entschied konkret über den Fall einer Frau, die gegen acht Uhr morgens mit ihrem Auto auf dem Parkplatz in einer markierten Fläche parkte. Als sie ausstieg, rutschte sie auf einer zugefrorenen Fläche neben dem Auto aus und verletzte sich. Daraufhin verklagte die Frau den Supermarktbetreiber auf Schmerzensgeld und Schadenersatz, da dieser ihrer Ansicht nach seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei. Die Frau verlor in allen drei Instanzen: Der Bundesgerichtshof schloss sich den Entscheidungen des Landgerichts Itzehoe und dem in der Berufung angerufenen Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in der Argumentation an (Az.: VI ZR 184/18).

Das Amtsgericht Augsburg urteilte 2019 (AZ: 74 C 1611/18), dass an einen Parkplatz in Bezug auf Räum- und Streupflicht nicht dieselben Anforderungen angelegt werden dürfen wie an Gehwege. Der Verkehrssicherungspflichtige muss für eine Möglichkeit zum gefahrlosen Verlassen des Parkplatzes beziehungsweise Wiedererreichen des Fahrzeugs sorgen; der Parkplatz muss aber nicht vollständig geräumt werden.

Muss ich mein Dach von Schneelast befreien?

Grundsätzlich gibt es laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm keine rechtliche Verpflichtung, Dritte gegen eine herabfallende Dachlawine zu schützen – es sei denn, es gibt kommunale Vorschriften (Az.: I-9 U 119/12). Besondere Umstände wie die Lage des Hauses, die allgemeine Wetterlage oder auch der Verkehrsumfang vor Ort können jedoch dazu führen, dass die Räumung des Daches notwendig ist. Hier ist der Hauseigentümer in der Pflicht, das Dach von Schnee zu befreien, um Personen- oder Sachschäden zu vermeiden.