Überschwemmungen, Hitzejahre, Schnee in großen Mengen: Wir beobachten, dass das Wetter extremer wird – und das nicht erst in jüngster Zeit. Bereits vor zehn Jahren stellten wir im Informationsdienst fest: Elementarschäden nehmen zu. Und auch schon vor 20 Jahren erlebten wir das Oder-Hochwasser im August 2002, den Hitzesommer 2003 ... Immer wieder geben wir darum Tipps, wie man gegen Elementarschäden vorsorgen kann. Dieses Mal stellt Andreas Iwanowicz, in unserer Unternehmensgruppe Experte für Schadenprävention, konkrete Möglichkeiten zur privaten und öffentlichen Vorsorge vor.

Schutz vor Überschwemmungsschäden

Um Überschwemmungsschäden zu verhindern, hat man im Neubaubereich einen gewissen Handlungsspielraum: bei der Standortwahl, Bauweise und Ausgestaltung von Gebäudeobjekten. Dabei lässt sich nach folgenden drei Grundstrategien vorgehen:

  • Ausweichen (räumlich)
  • Widerstehen (baulich/technisch)
  • Anpassen (baulich/organisatorisch)

Bei Bestandsimmobilien ist dieser Spielraum kleiner. Man muss mit Standortfehlern leben und sich an der bestehenden Gefährdungslage orientieren. Das sollten Objekteigentümer oder -betreiber in ihre Präventionsplanung einbeziehen.

Überschwemmungsrisiko besteht (fast) überall

  • Über das Tool „Naturgefahrencheck“ auf dem Verbraucherportal des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) lässt sich die Risikolage eines Gebäudes hinsichtlich Starkregen, Hagel und Flusshochwasser grob einschätzen.
  • Tagesaktuell informiert ein bundesländerübergreifendes Hochwasserportal über Gewässerpegelstände.
  • Starkregenhinweiskarten innerhalb der Bundesländer bezüglich Oberflächenabfluss geben einen ersten Anhalt für die Gefährdungslage; erhältlich auf den Geoportalen der Bundesländer, zum Beispiel „Starkregehinweiskarte Hessen“ vom Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie.
  • Die Hochwasserschutzfibel des Bundesinnenministeriums bietet für Gebäudeeigentümer grundlegende Informationen zu Hochwasser und sehr konkrete Tipps fürs Bauen, Checklisten usw.

Aber auch außerhalb der Bereiche, die durch Gewässer gefährdet sind, nehmen Überschwemmungsschäden an Häufigkeit und Intensität zu. Gemäß einer Studie des GDV (über die Jahre 2015 bis 2019) zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) tritt kurzer Starkregen mit einer Dauer von bis zu neun Stunden in ganz Deutschland mit praktisch gleicher Wahrscheinlichkeit auf. Dieses geschieht zudem häufig überraschend. Gemäß einer aktuellen Starkregenauswertung der Universität Wien fällt dabei in fast 90 Prozent der Fälle ein Großteil der Niederschlagsmenge bereits deutlich vor der Hälfte der Gesamtregendauer.

Das Risiko für eigene Gebäude einschätzen

Wer detaillierten Aufschluss über die Gefährdungslage erhalten möchte, kann folgende Risikobewertungen nutzen:

Starkregengefährdungsklassen (SGK): Gemäß der oben genannten GDV-Studie gibt es drei:

SGK1 (geringe Gefährdung): Gebäude liegt auf einem Berg oder im oberen Hangbereich
SGK2 (mittlere Gefährdung): Gebäude liegt im mittleren Hangbereich oder in einer Ebene ohne Bachlauf
SGK3 (hohe Gefährdung): Gebäude liegt im Tal oder in der Nähe eines Baches

Sachverständigengutachten: Für eine individuelle, qualitative Gefahreneinschätzung stehen spezialisierte Sachverständige zur Verfügung. Sie ermitteln und stellen in Gutachtenform die möglichen Folgen für ein bestimmtes Objekt zum Beispiel aufgrund von Starkregenereignissen dar. Hierzu werden Flurstücke, private Kanalnetze und Volumen von Gebäuden, sogenannte Kubaturen, erfasst. Damit werden anhand von Berechnungsmodellen Überflutungssimulationen erstellt.

Kanalnetzbefahrung: Eine Kanalnetzvermessung kann möglicherweise auch mit einer Kanalnetzbefahrung aufgrund der „Verordnung zur Selbstüberwachung von Abwasseranlagen“ erfolgen. Nach dieser müssen zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen ohnehin jährlich fünf Prozent der privaten Kanäle geprüft werden, das Gesamtnetz eines Betreibers, zum Beispiel eines Krankenhauses, alle 15 Jahre.

Entwässerungssatzung der Kommunen: Hierüber erhält man einen Überblick zur Situation auf öffentlichem Gelände, das heißt in den nachgeschalteten Leitungen. Diese stellen bei der Ableitung von Oberflächenwasser häufig einen Flaschenhals dar.

Hochwasserpass: Eine vereinfachte Gefährdungseinschätzung erfolgt über den Hochwasserpass vom Hochwasser-Kompetenz-Centrum e.V.

Öffentliche und private Schutzmaßnahmen

Ist die potenzielle Gefährdungslage ermittelt, stellt sich die Frage nach technischen/organisatorischen Möglichkeiten zur Schadenbegrenzung, im besten Fall sogar Schadenvermeidung. Spätestens hier treffen die eigene und die öffentliche Situation, sprich: die Infrastruktur, aufeinander. Es wird ein Zusammenspiel zwischen Kommunen, Kreis, Land und Objektbetreiber/-eigentümer erforderlich.

a) Öffentliche Lösungen

Kommunikation mit der Gemeinde: Objektbetreiber sollten sich nicht scheuen, ihre Kommunen auf die Brisanz des Themas „öffentliche Kanalsituation“ und möglichen Handlungsbedarf hinzuweisen. Dieser ist oftmals nicht bekannt – oder wird ignoriert. Bund und Länder unterstützen hierbei die Kommunen mit Know-how, angefangen bei kommunaler Bauvorsorge (Bebauungspläne mit speziellem Augenmerk auf Überschwemmungsschutz) bis hin zu Verhaltensvorsorge (Warnsysteme). Informationen gibt es zum Beispiel über: www.lawa.de oderwww.klivoportal.de.

Städteplanung geht heutzutage in Richtung „Sponge Cities“, in denen Wasserspeicher (natürliche und technische) geschaffen werden, damit Wasser nicht schnellstmöglich, sondern langsam durch Bereiche geleitet wird. Ebenfalls ein Thema, das mit öffentlichen Stellen zu diskutieren ist.

b) Eigene Lösungen – Tipps

Baustoffe: Prüfen Sie Materialeigenschaften bezüglich der Wasseraufnahme. Hilfreich hierzu ist der Leitfaden vom Verband der Schadenversicherer (VdS 6002) aus dem Jahr 2021.

Bauart: Entwickeln Sie ein passendes Abdichtungskonzept.

Gebäudenutzung: Etagenweise Anpassung der Gebäudenutzung an die Gefahrenlage, auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht über das Schutzziel hinausgehen. Das bedeutet zum Beispiel, in gefährdete Bereiche nicht die teuersten und ertragreichsten Einrichtungen unterzubringen.

Kontrollierte Wasserableitung: Verschiedene Möglichkeiten bieten sich an, siehe nächster Abschnitt.

So können Sie Wasser kontrolliert ableiten

Angenommen, das öffentliche Kanalnetz ist für die zunehmenden Regenwassermengen nicht ausreichend groß dimensioniert. Kurzfristig ist keine Verbesserung in Sicht. Wie kann ein Gebäudeeigentümer das Kanalnetz entlasten und trotzdem für eine kontrollierte Entwässerung sorgen?

Retentionsdächer bauen: Das Regenwasser läuft zeitverzögert vom Flachdach (Retentionsdach) ab. Möglich wird dieses durch einen konstanten Wasseranstau auf dem begrünten Flachdach. Sobald eine bestimmte Wasserhöhe auf dem Dach überschritten wird, erfolgt eine Notentwässerung auf schadlos überflutbare Grundstücksflächen, zum Beispiel Regenrückhaltebecken oder Sickerflächen. So wird in die Kanalisation nur ein Teil des Regenwassers eingeleitet.

Schwerkraft nutzen anstelle von Pumpen: Möglichst viel Regenwasser sollte über Schwerkraft abgeführt werden. Das heißt, Dächer oder Obergeschosse sollten nicht an Hebeanlagen angeschlossen werden. Hebeanlagen sollten nur für das wirklich Erforderliche vorgehalten werden. Auch die Überlastung von Rohrleitungen kann verhindert werden. Bei Rohren, die im Gebäudeinneren verlaufen (häufig im Deckenbereich oder in Form vertikaler Regenfallrohre), kann es zum Beispiel durch die Hebeanlage zu sehr hohem Wasserdruck kommen, dadurch können Undichtigkeiten an Steckverbindungen/Rohrleitungsflanschen entstehen. Im schlimmsten Fall brechen die Verbindungen, und das Gebäude wird geflutet.

Alternative Energieversorgung für Hebeanlage sicherstellen, denn Überschwemmungsschäden gehen häufig mit Stromausfall einher (Blitzschlag, Kurzschluss, etc.).

Rückstauklappen einbauen. Für eine sichere Funktion sind Zugänglichkeit und regelmäßige Wartung erforderlich.

Flächen nicht versiegeln, sondern begrünen (zum Beispiel Rasengitter legen).

Entscheidend ist die Zusammenarbeit aller Beteiligten, also Objektbetreiber und Behörden. Technische Insellösungen sind im Einzelfall und kurzfristig sinnvoll, auf Dauer helfen aber auch diese wenig, wenn ganze Straßen und Gebäude weggerissen werden, wie zuletzt beim Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Sommer 2021.

Andreas Iwanowicz
andreas.iwanowicz@ecclesia-gruppe.de