Handelt es sich tatsächlich um einen Sturmschaden? Insbesondere bei hohen Kirchendächern oder Kirchtürmen befassen sich Versicherer intensiv mit dieser Frage, da es regelmäßig um große Schadensummen geht. Stephan Scharf, Abteilungsleiter für Kirchenschäden aus den Bereichen der Sach-, Haftpflicht- und Unfallversicherung, führt zwei Urteile an, die zur Argumentation herangezogen werden können.

 

Oberlandesgericht Koblenz

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz hatte in folgendem Fall zu entscheiden:1 Während eines starken Sturmes lösten sich Schindeln vom Kirchendach und fielen herunter. Der Versicherer vertrat die Auffassung, dass die Schindeln alterungsbedingt ausgehärtet und verformt gewesen seien. Dadurch sei die Festigkeit des Materials stark herabgesetzt gewesen und die Schindeln hätten bereits ohne Krafteinwirkung zerbrechen können. Das Dach sei daher schon vor dem Schaden sanierungsbedürftig gewesen. Es bestünde somit Leistungsfreiheit, da die Instandsetzungspflichtverletzt und eine Gefahrerhöhung entstanden sei.
 

Sturm als Mitursache ausreichend

Der Versicherungsnehmer bestritt, eine Sanierungsbedürftigkeit des Daches erkannt zu haben, und bekam Recht. Durch ein Sachverständigengutachten kam das Gericht zu der Überzeugung, dass die Sturmeinwirkung die zeitlich letzte Ursache war, die zum Ablösen der Schindeln führte. Das Gericht stellte klar, dass es unerheblich sei, ob der Sturm die alleinige oder die wesentliche Ursache des Schadens gewesen ist. Einer etwaigen Begünstigung des Schadens durch das Alter der Schindeln müsse nicht nachgegangen werden. In Anlehnung an die einschlägige Rechtsprechung (OLG Düsseldorf) reiche die Mitursächlichkeit des Sturms zum Auslösen des Versicherungsfalles aus. Ferner hätte die Versicherungsgesellschaft den Versicherungsvertrag kündigen müssen, sofern eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Instandhaltungsobliegenheit vorgelegen hätte. Nur so hätte sie sich auf eine Leistungsfreiheit berufen können. Eine schuldhafte Gefahrerhöhung war nicht zu unterstellen, da der Versicherungsnehmer nicht erkannt hatte, dass die Schindeln altersbedingt hätten ausgewechselt werden sollen. Die zur Schadenreparatur notwendigen Kosten musste die Versicherungsgesellschaft daher ersetzen. Weitere, ebenfalls geltend gemachte Sanierungskosten, die im Zuge der Schadenbehebung durchgeführt wurden, musste sie jedoch nicht erstatten.
 

Oberlandesgericht Hamm

„Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss.“ Orientiert an diesem durch den Bundesgerichtshof geprägten Grundsatz entschieden die Richter des OLG Hamm, dass auch dann Versicherungsschutz besteht, wenn ein Baum erst sechs Tage nach einem Sturm auf das versicherte Gebäude fällt.2
 

Was war passiert?

Bedingt durch einen Sturm verlor ein Baum auf dem Nachbargrundstück seine Standfestigkeit. Sechs Tage später kippte er auf das versicherte Gebäude des Versicherungsnehmers.

Die Versicherungsbedingungen regeln, dass Schäden durch unmittelbare Einwirkung des Sturms auf versicherte Sachen ebenso versichert sind wie Schäden, die dadurch entstehen, dass sturmbedingt Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände auf versicherte Sachen fallen.

Die Richter stellten klar, dass es keine Voraussetzungen in den Bedingungen gibt, die verlangen, dass Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände unmittelbar durch Sturmeinwirkung auf das Gebäude geworfen werden müssen. Sturm als nachgewiesene zeitlich letzte Ursache reiche zur Auslösung des Versicherungsschutzes aus. Somit musste die Versicherungsgesellschaft die sturmbedingten Kosten erstatten. Die ebenfalls geltend gemachten Sanierungskosten für nicht sturmbedingte Schäden musste der Versicherungsnehmer selbst tragen.
 

Fazit: Widerspruch mit Aussicht auf Erfolg

Kann nachgewiesen werden, dass der Sturm die zeitlich letzte Ursache für den Schadenfall war, und wurden erforderliche Sanierungsarbeiten nicht erkannt oder deren Ausführung nicht grob fahrlässig oder nicht vorsätzlich verzögert, bestehen gute Aussichten, Ablehnungen der Versicherer erfolgreich zu widersprechen. Nicht schadenbedingte Sanierungsaufwendungen sind weiterhin nicht versichert.

Im Rahmen unseres Dienstleistungsspektrums überprüfen wir jede (Teil-) Ablehnung eines Versicherungsunternehmens kritisch und widersprechen gegebenenfalls, um Ihre berechtigten Schadenersatzforderungen durchzusetzen.

Stephan Scharf
stephan.scharf@ecclesia-gruppe.de


1 Az.: 10 U 1018/08.

2 Az.: I-6 U 191 / 6 U 191/15.