Wer sich mit einer Versicherung gegen bestimmte Schäden schützen möchte, der muss Verhaltensnormen (Obliegenheiten) einhalten, die der Versicherer vorgibt. Verstößt man als Versicherungsnehmer gegen diese Obliegenheiten, kann das im Schadenfall zu erheblichen Streitigkeiten mit dem Versicherer führen. In einem Unternehmen ist es wesentliche Aufgabe des Managements, auf die Einhaltung der Obliegenheiten zu achten. Was heißt das konkret? Katrin Gutseel, Produktmanagerin Sachversicherung und Master of Laws (LL.M.) im Versicherungsrecht, gibt Antworten auf diese Frage.

Obliegenheiten sind keine einklagbaren Rechtspflichten, sondern eher Voraussetzungen, unter welchen Umständen der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz und Entschädigung für einen eingetretenen Schadenfall erwarten kann. Der Versicherer setzt regelkonformes Verhalten des Versicherungsnehmers voraus. Obliegenheiten können je nach Gestaltung gesetzlich oder vertraglich geregelt sein. Gesetzlich vorgeschriebene Obliegenheiten und ihre Sanktionierung sind im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt. Handelt es sich um vertragliche Obliegenheiten, dann sind sie im Versicherungsvertrag mit der Versicherung bestimmt. Beide Obliegenheitsarten haben eine Gemeinsamkeit: Ein schuldhafter Verstoß kann im schlimmsten Fall zu einer anteiligen oder vollständigen Leistungskürzung sowie einer Vertragskündigung führen.

Die auf die spezifische Situation unserer Kunden zugeschnittenen Spezialkonzepte unserer Unternehmensgruppe und unsere Dienstleistungen in Versicherungs- und Risikoberatung sowie der Vertragsbetreuung bringen für die Kunden Erleichterungen mit sich, weil dieses Know-how das Informationsdefizit zum Versicherer ausgleicht. Nichtsdestoweniger befreit diese Leistung das Management eines Unternehmens nicht von der Verantwortung. Als Teil der Pflicht zur ordentlichen Betriebsführung ist es Aufgabe der Leitungsorgane, die Einhaltung der Obliegenheiten sicherzustellen. Dieser besonderen Rolle müssen sich die Leitungsorgane bewusst sein. Obliegenheiten zu beachten, ist Chefsache!

Verbot der Gefahrerhöhung

Obliegenheiten können je nach Ausgestaltung entweder vor der Antragstellung oder während der Vertragsdauer zum Tragen kommen. Obliegenheiten, die vor Vertragsabschluss zu erfüllen sind, fordern den Versicherungsnehmer dazu auf, seine Risikoumstände richtig und vollständig anzuzeigen. Verschweigt der Versicherungsnehmer beispielsweise Vorschäden an den zu versichernden Sachen, so riskiert er unter Umständen den Versicherungsschutz. Diese Obliegenheit wird auch als vorvertragliche Anzeigeobliegenheit bezeichnet.

Sehr weitreichend sind die Obliegenheiten, die während der gesamten Vertragslaufzeit vom Versicherungsnehmer eingehalten werden müssen. Der Versicherungsnehmer darf zum Beispiel nicht die Gefahrumstände seines versicherten Gegenstandes zum Nachteil des Versicherers verändern. Schließlich hat er bei Antragstellung seine Risikoumstände angegeben, und darauf beruht die Risikobewertung. Ändert sich beispielsweise die Nutzungsart eines Gebäudes von einem Heimbetrieb in einen Wäschereibetrieb, so muss der Versicherer darüber informiert werden. Er wird dann eine Vertragsanpassung prüfen.

Anzeigepflicht und Auskunftsobliegenheit 

Tritt ein Versicherungsfall ein, kann dem Versicherungsnehmer die Kooperation im Schadenfall abverlangt werden. Hierbei ist insbesondere die Anzeigepflicht bezüglich des Versicherungsfalles hervorzuheben. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, einen Schaden unverzüglich nach Kenntnis beim Versicherer anzuzeigen. Auch die Auskunftspflicht spielt eine wesentliche Rolle, da sie den Versicherer in die Lage versetzen soll, die Entschädigung zu beziffern und den Leistungsanspruch festzustellen.

Rettungspflicht

Tritt der Versicherungsfall ein, treffen den Versicherungsnehmer auch die so genannten Rettungspflichten. Sie verlangen vom Versicherungsnehmer, Versuche zu unternehmen, um nach Möglichkeit einen Schaden abzuwenden oder zu mindern. Man spricht daher auch von der Schadenabwendungs- und Schadenminderungsobliegenheit. In diesem Zusammenhang entstehende Aufwendungen hat der Versicherer zu erstatten; auch Aufwendungen für erfolglose Rettungsversuche sind erstattungsfähig, sofern der Versicherungsnehmer diese für geboten ansehen durfte. Mit dieser Obliegenheit soll sichergestellt werden, dass der Versicherungsnehmer alles Zumutbare dafür tut, sein Hab und Gut zu schützen. Erwartet wird damit, dass sich ein Versicherungsnehmer so verhält als sei er nicht versichert. Er soll also beispielsweise nicht zuschauen, wie sein Betrieb in Flammen aufgeht, sondern er muss sich um eine aktive Brandbekämpfung bemühen.

Hohe Relevanz in der Sachversicherung

In der Sachversicherung sind Obliegenheiten, die der Versicherungsnehmer vor dem Eintritt des Versicherungsfalles einzuhalten hat, von großer praktischer Relevanz. Hierbei kommt der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften eine besondere Bedeutung zu. Die Sicherheitsvorschriften werden regelmäßig über den Versicherungsvertrag geregelt und dort beschrieben. Auch in den Spezialkonzepten unserer Unternehmensgruppe ist der Versicherungsnehmer dazu angehalten, Sicherheitsvorschriften zu beachten. Diese Auflagen sind aber oft nicht so weitreichend wie es in den gängigen Versicherungsprodukten üblich ist.

Natürlich sollen die Sicherheitsvorschriften das Eintreten eines Versicherungsfalles verhindern oder zumindest das Ausmaß minimieren. Aber was bedeutet es genau, wenn man einen Passus vorfindet, der lautet: „Der Versicherungsnehmer hat alle gesetzlichen, behördlichen und vertraglichen Sicherheitsvorschriften einzuhalten.“?

Gesetzliche Sicherheitsvorschriften ergeben sich vorwiegend aus Gesetzen und Verordnungen, zum Beispiel aus den Landesbauordnungen. Diese Bestimmungen können dem Versicherungsnehmer Verhaltensweisen und Handlungs- oder Unterlassungspflichten vorschreiben. In den allermeisten Fällen beziehen sich gesetzliche Sicherheitsvorschriften auf die Feuergefahr, denn der Entstehung von Bränden soll aus öffentlichem Interesse vorgebeugt werden. So ist beispielsweise vorgeschrieben, dass die notwendigen Treppenräume in Krankenhäusern an der obersten Stelle eine rauchmeldergesteuerte Rauchabzugsvorrichtung vorhalten müssen.

Behördliche Sicherheitsvorschriften sind vielfach Verwaltungsakte der jeweils zuständigen Institutionen, die ebenfalls das Ziel verfolgen, Schäden zu vermeiden, etwa durch Brandschutzauflagen in einer Baugenehmigung. So kann die Baugenehmigung zum Beispiel unter der Auflage erteilt werden, eine Brandwand zu bauen.

Typische Beispiele sind auch die Unfallverhütungsvorschriften der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die für alle Mitglieder der Berufsgenossenschaften gelten und das Ziel des Personenschutzes verfolgen. Je nach Bundesland und Branche können sich dabei Unterscheidungen ergeben. In Altenheimen sind zum Beispiel Räume mit besonderen Brandgefahren wie etwa ein Lagerraum, die Heißmangel oder die Waschküche mit feuerbeständigen Umfassungsbauteilen auszustatten.

Vertraglich vereinbarte Sicherheitsvorschriften werden hingegen speziell zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer vereinbart. Die meisten Versicherungsbedingungen enthalten solche vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften.

Die Spezialkonzepte unserer Unternehmensgruppe sind gegenüber den marktüblichen Policen allerdings so formuliert, dass sie einige gängige Sicherheitsvorschriften lediglich als Empfehlung enthalten. Exemplarisch steht dafür die sogenannte Feuerklausel 3602. Dahinter findet sich die vertragliche Obliegenheit, jährlich die elektrischen Anlagen (zum Beispiel die Beleuchtung) durch eine anerkannte Überwachungsstelle nach der VdS-Prüfrichtlinie prüfen zu lassen. Diese Klausel ist grundsätzlich nicht Gegenstand unserer Spezialkonzepte, wodurch unseren Kunden hoher wirtschaftlicher Aufwand erspart wird. Gleichwohl gibt es aber auch in unseren Konzepten vertragliche Sicherheitsvorschriften, die einzuhalten sind. Dazu gehören zum Beispiel die Instandhaltung eines Gebäudes oder auch die regelmäßige Kontrolle leerstehender Gebäude. Auch wasserführende Anlagen in leerstehenden Gebäuden sind abzusperren und zu entleeren. Diese Obliegenheiten sollen den besonderen Gefahren Rechnung tragen, die durch nicht genutzte Gebäude entstehen.

Doch was passiert, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit verletzt? Der Versicherer kann dann je nach Verschuldensgrad der Verletzung seine Leistung mindern. Werden zum Beispiel die vorgeschriebenen Feuerlöscheinrichtungen in brandkritischen Bereichen wie der Küche grob fahrlässig nicht instand gehalten und es kommt zu einem Brand, könnte der Versicherer seine Leistung wegen Verletzung der Obliegenheit kürzen. Handelt der Versicherungsnehmer dabei sogar vorsätzlich, so ist der Versicherer gänzlich von der Leistungspflicht befreit. Bei einfacher Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers bleibt der Versicherungsschutz in vollem Umfang bestehen.

Vorsatz und Fahrlässigkeit

Häufig ergeben sich bei der Verschuldensfrage Abgrenzungsprobleme. Wann liegt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vor und wann wurde nur einfach fahrlässig gehandelt? Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gibt hier Anhaltspunkte und besagt zur einfachen Fahrlässigkeit: „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“3 

Eine Legaldefinition für das Vorliegen der groben Fahrlässigkeit existiert allerdings nicht. Nach allgemeiner Ansicht gehen die Gerichte von grober Fahrlässigkeit aus, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt beziehungsweise außer Acht gelassen wurde. Das ist immer dann der Fall, wenn schon sehr naheliegende Überlegungen zur Risikovermeidung oder -minderung nicht angestellt wurden und das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.

Wichtig für eine juristische Abgrenzung der Fahrlässigkeit ist, dass der Versicherungsnehmer seine Pflichten nicht wissentlich und willentlich verletzt hat. Andernfalls reden die Juristinnen und Juristen von Vorsatz. Beim Vorsatz wird häufig vom bewussten Wissen und Wollen gesprochen, wobei es für das „Wollen“ in diesem Sinne genügt, dass die Obliegenheitsverletzung billigend in Kauf genommen wird.

Wichtig im Schadenfall: Wer repräsentiert das Unternehmen?

Die Obliegenheitsvorschriften treffen stets den Versicherungsnehmer. Aber unter bestimmten Umständen muss sich der Versicherungsnehmer auch das Verhalten eines Dritten zurechnen lassen. Das gilt immer dann, wenn diese Person als sein Repräsentant fungiert. Im Schadenfall kommt es daher entscheidend darauf an, ob die Person, die die Obliegenheit verletzt hat, auch Repräsentant des Versicherungsnehmers war.

Die Frage der Zurechnung des Verhaltens eines Dritten stellt sich insbesondere bei juristischen Personen (zum Beispiel einer AG oder GmbH). Dabei enthält das Versicherungsvertragsgesetz keine explizite Regelung dazu, wann das Verhalten oder die Kenntnisse eines Dritten dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden müssen. Der Bundesgerichtshof hat allerdings klargestellt, dass das nur in engen Grenzen geschehen kann.

Der Begriff des Repräsentanten umfasst jede Person, die im Geschäftsbereich des versicherten Risikos aufgrund ihres Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers tritt und/oder mit der Vertragsverwaltung betraut ist. Eine bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht nicht aus.4  Soweit so gut, aber das Grundproblem dieser doch sehr losen Rechtsprechung wird erkennbar: Wer Repräsentant ist, ist häufig nur schwer bestimmbar und führt oft zu Diskussionen.

Daher sehen Versicherungsverträge häufig auch Repräsentantenklauseln vor. Sie legen fest, wessen Verhalten und Wissen sich der Versicherungsnehmer unter welchen Umständen zurechnen lassen muss. Es ist nicht sinnvoll, den Repräsentantenbegriff zu weit zu öffnen. In aller Regel können über zusätzliche Vereinbarungen die Repräsentanten des Versicherungsnehmers auf die obersten Leitungsorgane begrenzt werden. Diese können zum Beispiel bei einer GmbH die Geschäftsführung oder bei einer AG der Vorstand sein. Auch unsere Spezialkonzepte enthalten in den allermeisten Fällen eine Repräsentantenklausel mit einem eng gefassten Kreis der Repräsentanten. In der Regel ist diese Gruppe auf die Leitungsebene eines Unternehmens beschränkt.

Sorgfaltspflichten beachten

Aber Vorsicht! Wenn es doch einmal durch Mitarbeitende zum Schadenfall kommt und sich herausstellt, dass die Geschäftsführung es unterlassen hat, eine ordnungsgemäße Organisationsstruktur sicherzustellen, kann auch eine Repräsentantenklausel unter Umständen nicht helfen. Der Versicherungsnehmer darf sich nämlich nicht blind darauf verlassen, dass seine Mitarbeitenden die Obliegenheiten einhalten; ein Mindestmaß an Organisation und Kontrolle muss sein. Ansonsten kann es zu einer Kürzung der Versicherungsleistung kommen, obwohl die Geschäftsführung selbst die Obliegenheit nicht verletzt hat.

Führt der Versicherer eine Verletzung der Sorgfaltspflicht (zum Beispiel im Sinne des §43 GmbHG oder des § 93 AktG) ins Feld, sind insbesondere Leitungsorgane auch der Gefahr der persönlichen Haftung aus ihrer Funktion heraus ausgesetzt. Sie müssen dann unter Umständen für die Kürzung der Versicherungsleistung oder im schlimmsten Fall für die Ablehnung der Leistung haften.

Wichtig ist, dass das Leitungsorgan sich seiner besonderen Rolle bewusst ist und seiner Pflicht, eine ordentliche Organisationsstruktur zu gewährleisten, genug Bedeutung beimisst. Das bedeutet auch, alle Informationen ernst zu nehmen, die es erhält – auch die des Brandschutz- oder Gebäudebeauftragten über Missstände.
 

Katrin Gutseel
katrin.gutseel@ecclesia.de


Vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.01.2009 – 8 U 131/08.
Vgl. Schimikowksi, Versicherungsvertragsrecht.
Vgl. § 276 Abs.2 BGB.
4 Vgl. BGH, Urteil vom 21.04.1993 – IV ZR 34/92.

 

Empfehlung für Entscheider

  1. Aufbauorganisation sowie Zuständigkeiten festlegen und dokumentieren
    Im betrieblichen Ablauf sind exakte Funktions- und Tätigkeitsbeschreibungen für bestimmte Personen wie zum Beispiel Brandschutzbeauftragte wichtig. Diese sollten schriftlich festgelegt werden. Zudem sollte in regelmäßigen Abständen die Beschreibung der jeweiligen Aufgaben überprüft, kontrolliert und gegebenenfalls angepasst werden.

    Bei Outsourcingprozessen sollten das Auswahlverfahren und die Kompetenz des Geschäftspartners sowie vereinbarte Qualitätsstandards festgehalten werden. Auch hier sind – insbesondere zu Beginn der Kooperation – Kontrollen und deren Dokumentation wichtig.
     
  2. Behördliche und gesetzliche Begehungen dokumentieren und etwaige Maßnahmen umsetzen
    Alle behördlich und gesetzlich angeordneten Begehungen, Untersuchungen oder ähnliches sind zu dokumentieren. Sollten bei einer Begehung Mängel festgestellt werden, dann sind diese zu verschriftlichen und umgehend abzustellen. Auch hierfür bedarf es einer lückenlosen Zuständigkeit innerhalb der Organisation.
     
  3. Maßnahmen nachhalten
    Es sollten regelmäßige Stichprobenkontrollen veranlasst werden, um die Einhaltung der festgelegten Maßnahmen beziehungsweise die Abstellung der Mängel zu prüfen. Das kontinuierliche Controlling ist eines der wichtigsten Instrumente im betrieblichen Ablauf.