Für die Zeugenvernehmung einer oder eines Medizinischen Fachangestellten (MFA), die beziehungsweise der bei einem ärztlichen Aufklärungsgespräch zugegen war, gelten die gleichen Beweiserleichterungen, die auch für Ärztinnen und Ärzte herangezogen werden müssen. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden vom 15. März 2022 (4 U 1972/21) hervor. Das heißt: Der Nachweis eines ordnungsgemäßen Aufklärungsgespräches ist bereits dann geführt, wenn die Darstellung der allgemeinen Aufklärungspraxis durch die oder den MFA in sich schlüssig ist und auf dieser Grundlage schon einiges dafür spricht, dass tatsächlich ein Aufklärungsgespräch geführt worden ist („einiger“ Beweis). Aber: Ein vollständig ausgefüllter Aufklärungsbogen muss vorliegen, um diesen Beweis zu stützen.

Der Fall

Eine Frau hatte sowohl ihren Gynäkologen als auch das behandelnde Krankenhaus verklagt. Die 1982 geborene Klägerin litt seit dem 18. November 2012 unter Übelkeit, Unwohlsein und Unterleibsbeschwerden und wurde von ihrem Hausarzt antibiotisch wegen des Verdachtes auf Blinddarmentzündung behandelt. Am 27. November 2012 suchte sie wegen dieser Beschwerden die Notaufnahme des Krankenhauses auf. Nach unterschiedlichen Untersuchungen verließ sie das Krankenhaus wieder, die Klinik nahm sie nicht stationär auf. Weil die Beschwerden nicht abklingen wollten, besuchte sie zwei Tage später ihren Frauenarzt. 

Der Mediziner empfahl ihr eine diagnostisch-therapeutische Laparoskopie (Bauchspiegelung). Die Patientin unterzeichnete daraufhin am 3. Dezember 2012 einen Aufklärungsbogen und wurde am gleichen Tag stationär im Krankenhaus aufgenommen, in dem der Gynäkologe auch Belegarzt war. Er nahm den Eingriff einen Tag später selbst vor und entfernte Endometrioseherde (Gebärmutterschleimhaut, die sich außerhalb der Gebärmutterhöhle an anderen Organen im Beckenraum befindet) sowie den Wurmfortsatz des Blinddarms.

Am 9. Dezember 2012 wurde die Frau aus der stationären Behandlung entlassen, zwei Tage später untersuchte der Gynäkologe seine Patientin erneut. Aber für die Patientin war die Krankheit noch nicht ausgestanden. Denn am frühen Morgen des 14. Dezember 2012 wurde sie wegen starker Unterleibsschmerzen durch den Notarzt in die Notaufnahme des Krankenhauses eingeliefert. Nach der Untersuchung empfahlen ihr die Ärzte erneut eine Laparoskopie, diesmal aber zu Revisionszwecken, denn es bestand der Verdacht auf eine Bauchfellentzündung (Peritonitis). Die Frau unterzeichnete erneut einen Aufklärungsbogen und wurde gegen 17 Uhr des gleichen Tages erneut durch ihren Frauenarzt und einen Chirurgen operiert. Intraoperativ zeigte sich eine kotige Peritonitis, es befand sich eine nekrotisch bedingte Stuhlfistel in der Nähe der Appendix-Abtragungsstelle. Die Verwachsungen wurden gelöst, die Stuhlfistel übernäht und der Bauchbereich durch Spülung gesäubert. Die Frau wurde am 23. Dezember 2012 aus der stationären Behandlung entlassen.

Verfahrensgang

Nunmehr klagte die Patientin aber vor dem Landgericht Leipzig gegen den Gynäkologen und gegen das Krankenhaus. Im Verfahren beanstandete sie, dass sie – neben der unterlassenen stationären Aufnahme am 27. November 2012 und nicht regelrecht durchgeführter Operationen am 4. Dezember 2012 und 14. Dezember 2012 – über beide Operationen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Man habe ihr jeweils am Operationstag das Formular zur Unterschrift vorgelegt. 

Das Landgericht Leipzig beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens und hörte zudem eine Arzthelferin des Frauenarztes als Zeugin zur Aufklärung. Der Arzt selbst konnte wegen einer schweren Erkrankung nicht mehr gehört werden.

Der Sachverständige stellte in seinem Gutachten keinen Behandlungsfehler fest, und die Anhörung der Arzthelferin ergab nach Auffassung des Gerichts eine ordnungsgemäße Aufklärung für die Operation vom 4. Dezember 2012. Außerdem ging das Gericht von einer ordnungsgemäßen Aufklärung für die Operation vom 14. Dezember 2012 aus. Folgerichtig wies das Landgericht Leipzig die Klage am 6. August 2021 ab. 

Gegen dieses Urteil richtete sich die Berufung der Klägerin vor dem OLG Dresden. Sie beanstandete weiterhin, dass die Operationen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden seien. Zudem habe das Landgericht Leipzig die Aufklärungsproblematik für die Operation am 4. Dezember nur unzureichend gewürdigt. Denn die Einvernahme der Zeugin habe keine Aufhellung erbringen können, da die MFA sich nicht mehr an Einzelheiten habe erinnern können und auch nicht mehr gewusst habe, ob sie beim konkreten Aufklärungsgespräch in der Praxis dabei gewesen sei. Die Zeugin habe auf die Frage des Gerichtes, ob es nicht eigenartig sei, dass der Arzt den Bogen schon vor der Aufklärung und vor der Unterschrift durch die Klägerin unterschrieben habe, keine Antwort gegeben. Auch das sei nicht berücksichtigt worden.
 

Die Entscheidung

Das OLG Dresden hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dabei hat sich das OLG den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen und keinen Behandlungsfehler erkannt. Des Weiteren ging auch das OLG von einer ordnungsgemäßen Aufklärung für die Operation am 4. Dezember 2012 aus. Dazu wurde in der Entscheidung ausgeführt, dass für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung regelmäßig eine Parteianhörung der aufklärenden Ärztin oder des aufklärenden Arztes erforderlich sei. Der Beweis sei allerdings nicht erst dann geführt, wenn sich die Ärztin oder der Arzt an das konkrete Aufklärungsgespräch erinnern könne. Angesichts der Vielzahl von Informations- und Aufklärungsgesprächen, die Ärztinnen und Ärzte täglich führten, könne dies nicht erwartet werden. Da an den Nachweis keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen zu stellen seien, dürfe das Gericht seine Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO auf die Angaben der Ärztin oder des Arztes stützen, wenn die Darstellung in sich schlüssig sei und „einiger Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist“.

Im vorliegenden Fall konnte der Gynäkologe wegen seiner schweren Erkrankung nicht angehört werden. Das Landgericht habe deshalb die für ihn zum damaligen Zeitpunkt tätige Arzthelferin vernommen, für die die gleichen Kriterien anzuwenden sein wie für eine Ärztin oder einen Arzt. Die Angestellte konnte sich zwar nicht mehr daran erinnern, ob sie bei dem in Rede stehenden Gespräch zehn Jahre zuvor zugegen war, jedoch habe sie erklärt, dass sie bei den Aufklärungsgesprächen in ungefähr der Hälfte der Fälle dabei gewesen sei und die Aufklärung immer in der Praxis erfolgt sei. Die Aufklärung sei immer sehr umfangreich gewesen. Der beklagte Arzt habe den Eingriff erklärt und sehr ausführlich die Risiken erläutert. Den Aufklärungsbogen bekomme die Patientin mit nach Hause und bringe ihn zur Aufnahme ins Krankenhaus mit.

Diesen Angaben der Zeugin und aus dem Inhalt des Aufklärungsbogens habe das Landgericht in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine ordnungsgemäße Aufklärung entnommen. Ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgespräches sei – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht – der vorliegende Aufklärungsbogen. Der Gynäkologe habe den Aufklärungsbogen am 29. November 2012 unterzeichnet und dort folgendes notiert: „Bei Blinddarmentzündung Entfernung des Blinddarms sinnvoll.“ Die Klägerin habe den Aufklärungsbogen ausgefüllt und auch selbst Fragen zum Aufklärungsgespräch notiert, wie „Narben/Piercing, KH-Aufenthalt, Ernährung“. Sie habe den Aufklärungsbogen am 3. Dezember 2012 – einen Tag vor dem Eingriff – unterschrieben. Gleichfalls am 3. Dezember 2012 habe sie den Anästhesieaufklärungsbogen, der ebenfalls mit ihren persönlichen Angaben ausgefüllt war, unterzeichnet. 

Zudem sei es nicht ungewöhnlich, sondern entspreche der häufigen Praxis, dass der Arzt den Aufklärungsbogen zum Zeitpunkt des Aufklärungsgespräches, hier am 29. November 2012, unterschreibe und ihn dann der Patientin mit nach Hause gebe, damit sie sich diesen in Ruhe durchlesen könne. 

Die Angaben der Klägerin zur Aufklärung überzeugten hingegen das OLG nicht. Nach seiner Auffassung waren diese widersprüchlich und teilweise nicht nachvollziehbar. 

Eine Revision hat das OLG nicht zugelassen.
 

Fazit

Die Entscheidung des OLG Dresden zeigt, dass der Beweis eines ordnungsgemäßen Aufklärungsgespräches durch die beklagte Arztseite mit der Zeugenvernehmung des beteiligten Personals geführt werden kann und dafür dieselben Beweiserleichterungen wie für Ärztinnen und Ärzte gelten. So reicht es für den Nachweis eines ordnungsgemäßen Aufklärungsgespräches bereits aus, wenn das Personal bei der Zeugenvernehmung glaubhaft schildert, dass eine Aufklärung immer sehr umfangreich durchgeführt und der Eingriff erklärt wird sowie sehr ausführlich die Risiken erläutert werden. 

Jedoch gilt auch hier, dass ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgespräches stets ein vorliegender Aufklärungsbogen ist. So zeigt sich erneut, dass für das Gelingen des Beweises einer ordnungsgemäßen Aufklärung eine vollständig ausgefüllte und individualisierte Aufklärungsdokumentation unverzichtbar ist.

Matthias Gedeon
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