Interview mit der bekannten TV-Moderatorin Kristina zur Mühlen

Im November 2023 hat die Ecclesia Gruppe erneut zu den „Berliner Gesprächen“ eingeladen. Das Veranstaltungsformat wurde für die Traditionellen Geschäftsfelder ins Leben gerufen und dient dazu, Kunden miteinander ins Gespräch zu bringen. Dafür liefern hochkarätige Referenten wie die berühmte Journalistin und Moderatorin von ARD und ZDF Kristina zur Mühlen wertvolle Denkimpulse zu aktuellen Themen. Sie stellte sich in ihrem Vortrag die Frage, in welcher Zukunft wir eigentlich leben wollen und ging dabei unter anderem auf das Thema Nachhaltigkeit ein. Im Interview erläutert die renommierte Moderatorin und Wissenschaftsjournalistin, warum wir gerade in Krisenzeiten Mut zur Veränderung brauchen und wie der erforderliche Wandel in Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels gelingen kann. 

Wir brauchen Vorbilder, die den Mut zur Veränderung vorleben: in der Politik, im Unternehmen und in den öffentlichen Verwaltungen.

Warum ist es in Krisenzeiten Ihrer Meinung nach so schwierig, sich auf die Zukunft einzulassen?

Krisen bringen oft Unsicherheit mit sich. Keiner weiß ja, wie lange eine Krise dauert und wie danach unser Leben aussehen wird. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass man eher zögert, Pläne für die Zukunft zu schmieden. Wenn man sich in einer Krise voll und ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren muss, können auch einfach die Kraft und die Zeit fehlen, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Auch sollten wir nicht vergessen, dass Krisen emotional belastend sein können. In solchen Phasen kann es sehr schwer sein, positiv in die Zukunft zu schauen. Krisen können ja auch persönliche oder gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringen. Und das kann bei manchen Menschen wiederum Ängste auslösen. Angst ist wie ein Klotz am Bein, der es schwer macht, sich unvoreingenommen und positiv auf die Zukunft einzulassen.

Die Fähigkeit, sich auf das Unbekannte einzulassen, nennt die Psychologie „Zukunftsmut“. Und diese Fähigkeit kann man trainieren und sich aneignen. „Zukunftsmut“ ist eine Einstellung, eine Haltung, die durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Allerdings ist es ein Prozess, der auch Zeit braucht.
 

Wir haben in Deutschland eine Mentalität des Bewahrens. Wie kann man die Menschen hierzulande zum Umdenken bewegen?

Zunächst einmal sollte man sich klarmachen, dass jeder, der Neuland betritt, damit rechnen muss, dass sein Vorhaben auch schiefgehen kann. Man hat ja noch keine Erfahrungen auf diesem Gebiet. Wieso sollte also gleich beim ersten Mal alles klappen? Wir gehen zwar davon aus. Und das ist auch gut so. Sonst fehlt uns ja der Antrieb, Neues auszuprobieren. Man muss aber auch realistisch bleiben. Es wäre schon sehr viel Glück im Spiel, wenn jede Innovation auf Anhieb gelingen würde. Jeder erfolgreiche Erfinder musste unzählige Experimente durchführen, um seinem Ziel näherzukommen. Und dabei hat er auch Rückschläge eingesteckt. Rückschläge, aus denen er wieder gelernt hat, so dass er seine Rezeptur oder seinen Versuchsaufbau immer weiter verändert hat. Würden Sie einen Erfinder auslachen, weil er auch Fehlschläge hatte? Man müsste ihm gratulieren, dass er sich trotz der Niederlagen nicht hat abbringen lassen, sondern eifrig weitergemacht hat.

Es ist aber leider so, dass es in unserer Gesellschaft auch viel Neid und Häme gibt. Deshalb kann ich gut verstehen, warum viele Menschen ungern über ihre Rückschläge sprechen. Denn was passiert? Man wird als Versager dargestellt, als Traumtänzer, Pechvogel... Dieser Umgang mit Rückschlägen, Niederlagen oder Fehlern trägt dazu bei, dass sich viele Menschen nicht mehr trauen, Neues auszuprobieren. Was wir in unserer Gesellschaft brauchen, ist eine zeitgemäße Fehlerkultur, ein vernünftiger Umgang mit Situationen, in denen es nicht so geklappt hat, wie wir es uns gewünscht haben.
 

Angesichts des Klimawandels muss der kulturelle Transformationsprozess sehr schnell gelingen. Wie stehen die Chancen für Deutschland in den kommenden Jahren?

Wir brauchen Vorbilder, die den Mut zur Veränderung vorleben: in der Politik, im Unternehmen und in den öffentlichen Verwaltungen. Dann stehen auch die Chancen nicht schlecht, dass sich gesamtgesellschaftlich eine positive Haltung zur Zukunft herausbildet. Und ich bin ganz klar im Team der Zukunftsoptimisten und sage: Die Chancen stehen gut. Die Lösungen für den Transformationsprozess gibt es ja. Und das Tolle ist: Die Lösungen werden immer mehr und immer besser. Viele haben sich längst auf den Weg gemacht. Es wird nur viel zu wenig über die positiven Beispiele gesprochen. Dabei können sie andere motivieren, es auch auszuprobieren. Wir brauchen viel mehr Erfahrungsaustausch, mehr Netzwerk.
 

Was empfehlen Sie Unternehmen, die den Wandel angehen möchten oder gar müssen?

Es gibt unzählige externe Experten und Berater, die Unternehmen bei ihren Transformationsprozessen begleiten können. Vielleicht sitzen die besten Experten sogar im eigenen Unternehmen! Möglicherweise haben manche Mitarbeiter längst eigene Ideen, was man ändern könnte. Und vielleicht trauen sie sich nur nicht, darüber zu sprechen, weil sie Angst haben, nicht ernst genommen oder ausgelacht zu werden. Da sind wir wieder bei der deutschen Fehlerkultur. Im Übrigen sehe ich es so: Wenn ich als Chef oder Chefin etwas ändern möchte, werde ich auch geeignete Mittel und Wege finden. Das ist eine ganz klare Einstellungsfrage: Bin ich bereit, mich für Veränderung zu öffnen oder zögere ich noch.
 

Lassen Sie uns abschließend in die Zukunft schauen. Welche Trends erwarten Sie?

Im Moment bin ich vor allem gespannt, wie die einzelnen Branchen mit dem demographischen Wandel umgehen und sich auf den Fachkräftemangel vorbereiten. Insofern erwarte ich den Trend, dass immer mehr Arbeitgeber die Krise als Chance erkennen, sich selbst zu fragen: Bin ich überhaupt ein attraktiver Arbeitgeber, der neue Mitarbeiter nicht nur gewinnt, sondern auch halten kann?

Insofern erwarte ich den Trend, dass immer mehr Arbeitgeber die Krise als Chance erkennen, sich selbst zu fragen: Bin ich überhaupt ein attraktiver Arbeitgeber, der neue Mitarbeiter nicht nur gewinnt, sondern auch halten kann

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