Kürzlich war er wieder in der Grundschule – in seiner alten Grundschule, in der Christian Fritzemeier (31) vor knapp 25 Jahren mit einer großen Schultüte im Arm die ersten Sprossen der Bildungsleiter erklommen hat. Diesmal kam er aber als „OB“– als Ortsbürgermeister. Dieses Ehrenamt versieht Christian Fritzemeier seit dem Herbst 2020 für sein Dorf.
Sein Dorf, das ist Pivitsheide V. H. – und dieser Namenszusatz V. H. ist wichtig, doch davon später. Pivitsheide V. H. ist ein Ortsteil der Stadt Detmold im Kreis Lippe. Rund 3.000 Menschen leben im Dorf am Hasselbach, der vom Teutoburger Wald hinunterfließt. Bei der Kommunalwahl 2020 hat sich der Wirtschaftssinologe in seinem Heimatort um ein Ratsmandat beworben und auf Anhieb die meisten Stimmen erhalten.
Damit war klar, das Ortsbürgermeisteramt, die örtliche Repräsentanz von Rat und Verwaltung in „V. H.“, geht an ihn. Die anschließende Wahl zum Ortsbürgermeister war Formsache.
Für seinen Erfolg hat Christian Fritzemeier im Wahlkampf viel Freizeit geopfert, ist von Haus zu Haus gegangen, hat mit vielen Pivitsheiderinnen und Pivitsheidern gesprochen. Der Name Fritzemeier hat Klang im Ort. Als Pfarrer war Christian Fritzemeiers Vater über Jahrzehnte dort tätig.
Sein Sohn kümmert sich nun als Ortsbürgermeister indes eher um sehr weltliche Themen. Wie an diesem Abend in der Hasselbachgrundschule, die immer noch fast genauso aussieht wie zu Zeiten, als der kleine Christian hier Lesen, Schreiben, Mathe lernte.
Der Dorfausschuss tagt. Darin sitzen alle örtlichen Vereine und Akteure des dörflichen Lebens – auch der „OB“. Es geht um den Sportplatz im Ort. Der örtliche Sportverein möchte einen Kunstrasenplatz haben, wie er im Nachbarort auch existiert.
Dieser Nachbarort heißt Pivitsheide V. L. und seit jeher achten beide Pivitsheides sehr auf Gleichberechtigung. Es gibt eben „V. L.“ und „V. H.“, aber beide sind eigene Ortsteile, die sich schon früher nur den Namen teilten. Darauf deuten auch die Zusätze hin. „V. L.“ steht für Vogtei Lage, dort saß zu Zeiten der fürstlich-lippischen Verwaltung der nächsthöhere Landesbeamte für das Bauerndorf. Und für „V. H.“ saß sein Pendant in der Vogtei Heiden.
Der Sportverein hat für sein Vorhaben schon reichlich Sponsorenmittel aufgetrieben, nun will Christian Fritzemeier das Seine hinzutun. Die Stadt Detmold stattet ihn mit „Verfügungsmitteln“ aus, die gedacht sind, um das Dorfleben zu pflegen. Normalerweise überreicht ein Ortsbürgermeister dann aus diesem Mitteltopf mal eine Spende an einen Verein, der gerade Jubiläum feiert, mal fördert er ein Dorffest mit einem solchen „Flachgeschenk“, wie es hier heißt. Aber in diesem Jahr soll das gesamte Geld in den Sportplatzbau fließen. Das ist der Wunsch des Ortsbürgermeisters.
Die Stadt Detmold hat rund 70.000 Einwohner. Die allermeisten davon leben in ehemals selbstständigen Ortschaften im Umland, die vor rund 50 Jahren mit der Kernstadt verwaltungstechnisch zusammengelegt wurden. Die Ortsbürgermeisterinnen und –bürgermeister stellen das Bindeglied dar zwischen dem Stadtrat und der Stadtverwaltung auf der einen Seite sowie den Bürgerinnen und Bürgern im Ort auf der anderen Seite.
Sorgen, Probleme, Verbesserungsvorschläge – alles erreicht den „OB“. Er vermittelt, leitet weiter, stellt Verbindung her und sucht gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern und den Fachleuten in der Verwaltung nach Lösungen: Kann es eine weitere Querungshilfe auf der Hauptstraße geben? Darf eine der beiden letzten Dorfgastwirtschaften etwas mehr Platz für den Biergarten beanspruchen? Kann der Parkplatz am Friedhof vielleicht asphaltiert werden, damit bei Regen die Trauergäste nicht über die Pfützen hüpfen müssen?
Es sind nicht die weltbewegenden Probleme, die einen Ortsbürgermeister beschäftigen, aber sie sind dorfbewegend. Und darauf kommt es an, geht es doch um Lebensqualität vor Ort. Dabei ist auch ein Ortsbürgermeister auf den politischen Interessenausgleich angewiesen und muss dicke Bretter bohren. Sein einziges Mittel: reden, reden, reden. Christian Fritzemeier informiert „sein“ Dorf per E-Mail-Newsletter und will gern die App „Dorffunk“ ausbauen.
Parteipolitik spiele bei seinem Amt überhaupt keine Rolle, sagt er. Wenn es um den Ort geht, halten die unterschiedlichen Parteienvertreter zusammen. Er ist in den Stadtrat eingezogen, weil er sich um einen besseren Zustand der Fahrradwege in Richtung Innenstadt bemühen will und weil er gern eine große Grünfläche mitten im Dorf für die Ortsgemeinschaft nutzbar machen will. Nachhaltig gesichert werden soll das Areal, das früher einmal der Friedhof war. Aber wie?
Hier wird noch viel zu tun sein, aber Christian Fritzemeier bleibt dran. Für fünf Jahre ist er gewählt, dann muss er sich erneut dem Wettbewerb stellen. Einstweilen hat er einen weiteren Erfolg eingefahren. Als er die Grundschule nach der Sitzung des Dorfausschusses verlässt, hat er ein einstimmiges Votum in der Tasche. Der Kunstrasenplatz geht vor, dafür verzichten alle anderen Vereine auf die Zuwendungen Ihres „OB“.
Drei Sätze zum Vervollständigen
1. Beruf und Ehrenamt ergänzen sich durch den Dienst, den man für die Gesellschaft leistet.
2. Worüber ich mich immer noch freue: Wenn sich Mitbürgerinnen und Mitbürger persönlich für Unterstützung oder für überbrachte Glückwunschschreiben zu Geburts- und Ehejubiläen bedanken.
3. Ich bin mit Leib und Seele Pivitsheider und Ecclesianer.
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