Für Klinikpersonal und Verantwortliche ist der Tod einer Patientin oder eines Patienten infolge eines Behandlungsfehlers eine der schlimmsten Vorstellungen überhaupt. Die Unabänderlichkeit dieser Situation, die Suche nach Erklärungen, Selbstvorwürfe und Existenzangst stellen eine immense Belastungsprobe dar. Hinzu kommt, dass neben dem Informationsbedürfnis der Angehörigen schnell auch ein Informationswunsch der Öffentlichkeit besteht. Diese Situation lässt sich trainieren. Zum Beispiel in simulierten Pressegesprächen inklusive Vor- und Nachbereitung. Dr. Peter Gausmann, Geschäftsführer der GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung, hat jetzt am eigenen Leib ausprobiert, wie es sich anfühlt, als „Klinikchef“ nach einem tödlichen Behandlungsfehler vor die Presse zu treten.


Peter Gausmann war Gast in einem Lehrgang der „proContent gAG“, der Journalistenschule in Essen. Als Direktor des fiktiven St.-Vincenz-Krankenhauses Essen traf er in der Simulation auf angehende Journalistinnen und Journalisten, die er über einen Behandlungsfehler mit Todesfolge informieren sollte. Dozentin Marion Trimborn wollte ihren Schülerinnen und Schülern auf diese Weise die Möglichkeit geben, in einem sehr realitätsnahen Szenario eine Pressekonferenz zu üben, die sich mit Themen befasst, die nicht zum ständigen Repertoire der meisten Journalistinnen und Journalisten gehören.

Dr. Peter Gausmann hatte daneben auch eigene Ziele, er wollte die Interaktion zwischen beiden Seiten erforschen, feststellen, wie die Fragen der Jungjournalistinnen und -journalisten auf ihn wirkten und welche Ableitungen man davon für andere treffen kann, die sich in diese Rolle begeben müssen.

Das fiktive Szenario sah folgendermaßen aus: In dem Haus der Grund- und Regelversorgung war eine 82-jährige Patientin am 14. Aufenthaltstag an einer Überdosis Methotrexat verstorben. Als Rheumatikerin erhielt sie das Zytostatikum aus der Krebstherapie in geringer Dosis immer mittwochs. Im Therapieplan war das Kürzel „MTx mi“ aber fälschlich als „Methotrexat mittags“ interpretiert worden. So nahm die Patientin über 13 Tage eine erhebliche Überdosis auf und verstarb schließlich an den Folgen, obwohl alles versucht wurde, um sie noch zu retten.

Darüber informierte nun der fiktive Klinikdirektor Dr. Peter Gausmann in der Simulation die Presse. Er schilderte den angehenden Redakteurinnen und Redakteuren das Geschehen und die Maßnahmen, die das Krankenhaus zur künftigen Fehlervermeidung ergriffen hatte. Am Ende wurde Peter Gausmann dann mit den Fragen der Medienvertreter konfrontiert. „Das war sehr interessant, denn einige Fragen haben mich durchaus in die Ecke gedrängt. Es ist nicht einfach, dabei konzentriert bei der Sache zu bleiben“, schildert er. „Einige der Volontärinnen und Volontäre waren sehr faktenorientiert unterwegs und stark am Thema interessiert. Andere suchten in ihren Fragen nach der Geschichte hinter der Geschichte.“

Das zeigte sich auch in den danach entstandenen Nachrichten. „Die Autorinnen und Autoren zeigten im Umgang mit dem Thema eine beeindruckende Vielfalt an Ansätzen“, fasst Dr. Gausmann die Ergebnisse zusammen. Bei einer Durchsicht der verschiedenen Texte wurde aber auch deutlich: Die umfangreiche Information führte zu einer im Kern richtigen Wiedergabe der Nachricht, in allen Fällen wurden der Sachverhalt klar geschildert und die Anstrengungen der Klinik zur Fehlervermeidung dargestellt. Für den GRB-Geschäftsführer ist das die Folge einer offenen Kommunikation, die auch die eigene Betroffenheit über das Geschehen herausstellt. „In einer Haltung zu verharren, die nur die eigene Organisation verteidigt, kann schwierig sein. Wenn dann einer der Fragenden den richtigen Triggerpunkt erwischt, kommt man in der Situation des Pressegesprächs schnell ins Trudeln“, sagt er. Offene, dialogbereite Kommunikation führe zu besseren Ergebnissen.  

Unterschiede zeigten sich in der Textaufbereitung – mal war eine nüchterne Nachrichtensprache gewählt worden, mal ein etwas persönlicherer, emotionaler Ansatz. In einem Fall versuchte einer der Lehrgangsteilnehmenden noch eine Verbindung zur allgemeinen Situation im Gesundheitssystem und dem Personalmangel in Kliniken herzustellen. Auch das kann durchaus zum Vorteil sein, wenn es dabei hilft, die Situation einzuordnen ohne sie kleinzureden.

„Der offene Zugang auf die Journalistinnen und Journalisten hat sich in diesem Fall ausgezahlt“, resümierte Dr. Peter Gausmann im Anschluss. Daher rät der Spezialist für Risiko-Beratung den Verantwortlichen in den Kliniken: „Stellen Sie sich solchen Situationen in Übungsszenarien, damit Sie in der Krise richtig reagieren können. Die Vorbereitung darauf ist notwendig und möglich, wir unterstützen Sie auch dabei.“