Im Krankenhausalltag gibt es etliche Situationen, in denen Grundsätze der Mediation oder mediative Gesprächstechniken unterstützend genutzt werden können. Durch Sensibilität beziehungsweise Empathie gegenüber Patientinnen und Patienten (beispielsweise bei Aufklärungsgesprächen), Angehörigen und Mitarbeitenden (zum Beispiel in der Konfliktbearbeitung) sollen die Bedürfnisse der Beteiligten hervorgebracht werden, um (langfristig) tragfähige Lösungsoptionen zu finden, die den Forderungen aller Parteien bestmöglich gerecht werden. Ziel ist, eine Win-win-Lösung zu erreichen und geeignete Maßnahmen zu ihrer Umsetzung zu vereinbaren.  

Aspekte der Mediation

Mediation ist ein möglicher Weg zur einvernehmlichen Lösung von Konflikten innerhalb einer oder zwischen mehreren Parteien. Für Auseinandersetzungen gibt es vielfältige Auslöser. Dazu gehören unterschiedliche Positionen, Werte und Sichtweisen.1 Der Faktor „Zeit“ wird dabei unterschiedlich, mitunter auch verzerrt wahrgenommen, sodass eine zügige Lösung notwendig erscheint, um der Erwartungshaltung der Parteien nachzukommen.

Rolle der Mediatorin/des Mediators

Die Rolle der Mediatorin/des Mediators wird durch drei wesentliche Punkte charakterisiert. Sie/Er tritt als neutrale, allparteiliche dritte Person auf, die das Gespräch zwischen den Parteien leitet und strukturiert. Sie/Er gibt den Konfliktparteien eine Anleitung, um eine eigene und langfristig tragfähige Lösung zu finden. Besonders wichtig ist, dass die Mediatorin/der Mediator ohne eigene Entscheidungskompetenz auftritt.

Grundsätze des Mediationsverfahrens

Ein Mediationsverfahren sollte klaren Grundsätzen folgen, damit es erfolgversprechend ist. Diese Grundsätze lauten:

  • Vertraulichkeit (Mediationsgesetz: Verpflichtung zur Verschwiegenheit)
  • Freiwilligkeit (Parteien nehmen aus eigenem Entschluss an den Gesprächen teil)
  • Selbstbestimmung (eigenverantwortlich eigene und individuelle Lösungen vereinbaren)
  • Informiertheit (ausreichende, umfassende Information aller Konfliktparteien)
  • Ergebnisoffenheit (Raum für alternative und kreative Lösungen schaffen)

Praxisbeispiel 1: Konflikt zwischen zwei Chefärzten im Hinblick auf die Zuständigkeiten innerhalb der Zentralen Notaufnahme eines Krankenhauses

Der Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie ist bereits seit vielen Jahren im Krankenhaus tätig. Vor kurzer Zeit wurde die Position des Chefarztes für die Zentrale Notaufnahme von der Geschäftsführung erstmalig besetzt. Er soll die bauliche und organisatorische Neu­gestaltung dieses Arbeitsbereiches maßgeblich beeinflussen. Sowohl Ärztinnen und Ärzte der Notaufnahme als auch der Anästhesie nutzen die Räume und Geräte in der Notaufnahme. Das kann zu Konflikten führen. Die Mediation soll den Einigungsprozess der beiden Chefärzte unterstützen, um anschließend der Geschäftsführung ein abgestimmtes Vorgehen vorzuschlagen. Die Mediation kann hier zur Klärung der Positionen, zur Neuorientierung und zu tragfähigen Vereinbarungen beitragen.

Nach Abstimmung des konkreten Auftrages sowie Festlegung von Dauer, Kosten und Regeln der Mediation (mit einer/einem externen Mediator/in) werden beide Konfliktparteien zum Gespräch eingeladen. Grundvoraussetzung ist, dass beide Seiten gemeinsam an dem Termin teilnehmen und bereit sind, einen Kompromiss auszuhandeln. Die Themen sind bereits aus der Vorlaufphase den Teilnehmenden bekannt, sodass die Phase 2 „Themensammlung“ abgekürzt werden kann. Der Schwerpunkt der Mediation liegt somit auf der Phase 3 „Interessen und Bedürfnisse“ und der Phase 4 „Lösungsfindung“. Hierzu befragt die Mediatorin/der Mediator beide Konfliktparteien gezielt, um Positionen und Gefühle der Beteiligten zu sammeln, aus diesen leiten dann alle die Bedürfnisse ab und definieren daraus Kriterien. Das Ziel ist, eine bestmögliche Lösungsoption für eine zielführende Patientenversorgung in der Zentralen Notaufnahme herauszuarbeiten und schriftlich zu fixieren.

Ansätze mediativer Gesprächstechniken und der Bezug auf den Krankenhausalltag

Welche Aspekte bei der Kommunikation in der Regel sichtbar sind und welche weiteren Faktoren oft im Verborgenen liegen, zeigt das Eisbergmodell (Ursprung Sigmund Freud):2 

Bei der Kommunikation wird nur ein geringer Anteil über die Fakten- und Sachebene (ca. 20 Prozent) bewusst vermittelt – der weitaus größere Anteil liegt unbewusst im Bereich der Beziehungsebene. Dies ist unter anderem der Grund dafür, dass relativ schnell Missverständnisse entstehen, weil die Aufnahme von Botschaften und Informationen stark von Gefühlen, Stimmungen, Wertvorstellungen und Interpretationen beeinflusst wird. Zusätzlich ist das Verhältnis der betroffenen Personen zueinander von Bedeutung. Die Wirkung des Tonfalls sowie der Gestik und Mimik ist bei der Übermittlung von Informationen nicht zu unterschätzen. Im Extremfall kann eine fehlende oder unzureichende Berücksichtigung der Beziehungsebene bei der Kommunikation zur Folge haben, dass Aussagen komplett unterschiedlich aufgenommen werden – mit entsprechend negativen Auswirkungen in der Zukunft.

Eine der mediativen Techniken ist die Gewaltfreie Kommunikation (GFK). Das Handlungskonzept von Marshall B. Rosenberg3 trennt die Beobachtung von der Bewertung. Diese wird von der betroffenen Person als Kritik beziehungsweise Vorwurf gewertet und hat daher negative Auswirkungen auf die weitere Kommunikation. Das Vorgehen steht im Widerspruch zu einer friedlichen Konfliktlösung. Die Beobachtung löst ein Gefühl aus, das mit einem oder mehreren Bedürfnissen in Verbindung steht. Daraus geht die Bitte einer konkreten Handlung hervor. Ziel ist der wertschätzende Umgang miteinander und die friedliche Konfliktlösung.  

Praxisbeispiel 2: Ein Aufklärungsgespräch im Krankenhaus

Nicht selten wird von Ärztinnen und Ärzten im Krankenhaus beschrieben, dass Patientinnen und Patienten nach einem Aufklärungsgespräch entweder immer wieder gleiche oder ähnlich lautende Fragen zum Eingriff oder der Therapie stellen oder sich schwertun, eine Entscheidung zur Durchführung zum Beispiel eines großen, schwerwiegenden operativen Eingriffs oder einer Therapie mit zum Teil massiven und langfristigen Auswirkungen auf die weitere Lebensführung zu treffen.

Medizinerinnen und Mediziner haben oft relativ wenig Zeit für die Durchführung von Aufklärungsgesprächen. Je nach Berufserfahrung beeinflusst dies das Verhalten im Gespräch. Zeitlich eingeschränkte Ressourcen werden zumindest von einem Teil der Patientinnen und Patienten wahrgenommen. Eine Konsequenz ist, dass Patientinnen und Patienten weniger Fragen stellen. Dem gegenüber steht ihre Erwartungshaltung, aussagefähige Informationen zu erhalten.

Besonders relevant ist das Verständnis der Aufklärungsinhalte bei großen, schwerwiegenden operativen Eingriffen oder einer Therapie mit massiven und langfristigen Auswirkungen auf die weitere Lebensführung. Je nach bisherigem Informations- oder Kenntnisstand der Patientin/des Patienten können nach der Diagnose Gefühle wie Angst (Wie geht es mit der Versorgung der Kinder weiter? Wie ist es um meine Existenz bestellt? Kann ich meinen Beruf weiter ausüben?) die Aufnahme weiterer Inhalte abrupt verhindern. Zum Teil erzeugt die Gestik der Patientin/des Patienten, zum Beispiel durch Kopf­nicken, aber einen falschen Eindruck bei der aufklärenden Ärztin/dem aufklärenden Arzt, das Gesagte verstanden zu haben.

Einsatz mediativer Techniken in Aufklärungsgesprächen

Neben der Verwendung von Aufklärungsbögen sollten Mitarbeitende im Arztdienst ein Raster für sich fest­legen, in welcher Form Aufklärungsinhalte an die Patientin/den Patienten weitergegeben werden (ruhige Gesprächsatmosphäre, aktives Zuhören, Nutzung verständlicher Formulierungen, Zeit für Nachfragen der Patientin/des Patienten einplanen).

Nach jedem relevanten Aufklärungsaspekt sollte die Frage an die Patientin/den Patienten gestellt werden, ob sie/er dies verstanden hat und mit dem Vorgehen einverstanden ist. Dieses Vorgehen kann in einem klinikübergreifenden Aufklärungsleitfaden verbindlich festgelegt werden und gegebenenfalls die Nachweisführung des Krankenhauses erleichtern.

Das Stellen „offener Fragen“ im Hinblick auf die Bedürfnisse und die persönliche Situation der Patientin/des Patienten gibt Hinweise auf Erwartungen. Diese sollten soweit möglich vorab beantwortet werden. 

Stellen von W-Fragen (wer, wie, was, warum?) trägt zum grundlegenden Verständnis für die Situation der Patientin/des Patienten bei; Nachfragen unterstützen den Gesprächsprozess.

Die Aufklärung von Patientinnen und Patienten sollte vor schwerwiegenden operativen Eingriffen/Therapien – wie Tumoroperationen oder Chemotherapien mit schweren Auswirkungen auf die Lebensführung – möglichst mehrfach und an verschiedenen Tagen erfolgen, zum Beispiel innerhalb von Visiten. Hilfreich ist bei diesen Aufklärungsgesprächen, eine Vertrauensperson der Patientin/des Patienten einzubeziehen. Der/die Patient/-in sollte gebeten werden, wichtige Fragen vor dem Aufklärungsgespräch aufzuschreiben. Von diesem Vorgehen sind Routine- und Notfalleingriffe ausgenommen.

Die Nutzung verschiedener kommunikativer Eingangskanäle erhöht die Aufnahmequote im Hinblick auf die Aufklärungsinhalte. Neben dem eigentlichen Gespräch ist die Ansicht von Zeichnungen und Modellen zu empfehlen, damit der/die Patient/-in einen optischen Eindruck vom Aufbau des Organs und dem Vorgehen bei der geplanten Operation erhält. In einigen Kliniken können sich Patientinnen und Patienten vor der Aufklärung kurze Filmsequenzen ansehen, in denen der Ablauf der OP dargestellt wird.    

Fazit

Die Nutzung der Mediation und der Einsatz mediativer Gesprächstechniken sollte im Krankenhausalltag weiter ausgebaut werden, um negative Auswirkungen auf Arbeitsabläufe aufgrund schwelender Konflikte zu vermeiden. Der Einsatz gezielter Fragetechniken führt dazu, dass Gefühle ausgesprochen werden. Hieraus können in der weiteren Bearbeitung Bedürfnisse und schlussendlich passende Kriterien für tragfähige Lösungsoptionen (Win-win-Lösungen) abgeleitet werden.


Karin Hinke
karin.hinke@grb.de


1 Rabe, Christine Susanne und Wode, Martin (2016): Mediation, 2. überarbeitete Auflage, Verlag im Ludwig-Harms-Haus GmbH Hermannsburg, Südheide, S. 2ff.
2 Windolph, Andrea und Blumenau, Alexander: Das Eisbergmodell, („Projekte leicht gemacht“ – virtual education for professionals), im Internet unter: https://projekte-leicht-gemacht.de/blog/pm-methoden-erklaert/das-eisbergmodell/; letzter Abruf: Mittwoch, 26.08.2020, 09:21.
3 Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens, im Internet unter: https://www.fachverband-gfk.org/ueber-uns/ueber-gewaltfreie-kommunikation, letzter Abruf: Mittwoch, 26.08.2020, 09:26 Uhr.