Mit der Einführung einer sogenannten Bezahlkarte für Geflüchtete sollen staatliche Leistungen künftig nicht länger bar bezogen werden. Während die Bundesregierung und die Bundesländer die Einführung begrüßen, gibt es Kritik von Sozialverbänden und Wissenschaftlern. Erste Pilotprojekte melden hingegen positive Ergebnisse.

Warum soll eine Bezahlkarte eingeführt werden? 

Im November 2023 haben Bund und Länder die Einführung einer sogenannten Bezahlkarte beschlossen. Geflüchtete sollen einen Teil der staatlichen Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht länger in bar, sondern über die Bezahlkarte beziehen. Dadurch soll unterbunden werden, dass Geflüchtete, die den Asylprozess durchlaufen bzw. geduldet sind, Gelder aus Sozialleistungen in ihre Heimatländer überweisen. Auch soll die Finanzierung von Schlepperkriminalität zurückgedrängt werden. Die Kommunen erhoffen sich zudem eine Entlastung der Verwaltung. 
 

Wie funktioniert die Bezahlkarte? 

Ende Januar 2024 hat eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern einen gemeinsamen Fahrplan sowie technische Mindeststandards zur Einführung der Bezahlkarte vorgestellt. Vorgesehen ist eine guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion ohne Kontobindung. 

Die Karte ist nur in Deutschland nutzbar und wird in allen Geschäften des täglichen Bedarfs akzeptiert. Überweisungen ins In- und Ausland werden nicht möglich sein. Wie viel Geld auf die Karte überwiesen wird, welcher Betrag maximal abgehoben werden kann und über welche weiteren Zusatzfunktionen oder Einschränkungen die Karte verfügt, entscheiden die Bundesländer. Darunter zählen etwa Einkäufe bei bestimmten Händlerkategorien sowie festgelegte Postleitzahlenbereiche. 
 

Welche Kritik gibt es? 

Sozialverbände wie ProAsyl kritisieren die Einführung der Bezahlkarte als „populistisch aufgeladene Scheindebatte“. Die Einführung werde keine realen Probleme lösen. Sie schaffe ein „Diskriminierungsinstrument“ für Geflüchtete. Die Caritas sprach von einer „kostspieligen“ und „ineffektiven“ Maßnahme.

 Wissenschaftler weisen zudem darauf hin, dass es keine Belege gebe, nach denen die Einführung einer Bezahlkarte zu einem Rückgang der „irregulären Migration“ führe. Weiterhin lägen keine Daten vor, die belegen, dass hohe Beträge aus Sozialleistungen in die Heimatländer geschickt würden. Auch die Bundesregierung erklärte, dass ihr dazu keine belastbaren Zahlen vorlägen. 

Der Deutsche Städte- und Landkreistag warnt außerdem vor einem Flickenteppich an verschiedenen Regulierungen und hohen Kosten, sollten Bundesländer unterschiedliche Wege bei der Einführung der Bezahlkarte gehen. So stellt etwa Nordrhein-Westfalen den Kommunen frei, die Bezahlkarte einzuführen. Auch ist keine Kostenübernahme durch das Land vorgesehen. 
 

Wie verlaufen die ersten Tests? 

Erste Testphasen mit Bezahlkarten gibt es bereits seit Herbst 2023. Der Ortenaukreis in Baden-Württemberg und das thüringische Greiz haben Ende 2023 ein Pilotprojekt gestartet. Hannover testet als erste Großstadt seit Herbst 2023 die Bezahlkarte „Social Card“. 

In Hannover bucht die Stadt den vollen Leistungsanspruch auf die Bezahlkarte. Berechtige können frei über das Guthaben verfügen. Die Karte kann in allen Geschäften genutzt werden, die eine Visa-Karte akzeptieren. Das Design der „Social Card“ ähnelt bekannten Karten, um eine Stigmatisierung zu vermeiden. 

Erste Ergebnisse zeichnen ein positives Bild: Die Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den Geflüchteten sei hoch. Die Aushändigung der Karte verlaufe aufgrund mehrsprachiger Informationsblätter reibungslos. Die Städte und Kommunen berichten zudem von einem reduzierten Verwaltungsaufwand.
 

Wie geht es weiter? 

Auf Bundesebene wird derzeit über eine rechtliche Absicherung im Asylbewerberleistungsgesetz diskutiert. Die FDP argumentiert, dass Geflüchtete mit Wohnsitz außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen keine Bezahlkarte erhalten können. Die SPD bekräftigt, dass die Bundesregierung zugesichert habe, notwendige gesetzliche Änderungen vorzunehmen. Die Grünen hingegen erklären, dass die jetzigen Regeln auch für diese Personengruppen gelten. Eine Anpassung des Gesetzes sei nicht nötig. Kritik kommt auch von der CDU/CSU. Sie werfen den Grünen vor, die Einführung der Bezahlkarte zu blockieren. 

Ungeachtet dieser Diskussion haben 14 von 16 Bundesländern eine gemeinsame Ausschreibung für die Bezahlkarte gestartet. Im Sommer soll das Verfahren abgeschlossen sein. Die flächendeckende Einführung soll im Herbst erfolgen. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern nutzen hingegen eigene Vergabeverfahren. Bayern hat zudem angekündigt, dass ihre Bezahlkarte nicht zum Online-Shopping oder für Glücksspiel genutzt werden soll. Auch eine Nutzungsbeschränkung auf bestimmte Regionen wird diskutiert. Seit dem 15. Februar hat Hamburg als erstes Bundesland die Bezahlkarte flächendeckend eingeführt.

Redaktion
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