Mit dem Jahreswechsel tritt das neue Bundesteilhabegesetz in Kraft. Es soll Menschen mit Behinderungen mehr Selbstbestimmung und mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Auf stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe wie Wohnheime oder Werkstätten für Menschen mit Behinderungen kommen dadurch zum 1. Januar 2020 etliche Veränderungen zu. Dabei geht es auch ums Geld. Unter anderem bei der Frage, ob die Refinanzierung von Privathaftpflichtverträgen der Bewohnerinnen und Bewohner verändert werden muss. Sebastian Baumann, Jurist in unserer Unternehmensgruppe, und Frank Schultz, Leiter der Produktentwicklung für Haftpflichtversicherungen, klären die wichtigsten Fragen dazu:

Welche Änderungen bringt das Bundesteilhabegesetz mit sich?

Bisher konnten Einrichtungen der Eingliederungshilfe verschiedene Leistungen für die Menschen mit Behinderungen in ihrer Einrichtung gesammelt bezahlen. Dies geschah mit Geldern, die die Sozialhilfeträger für die Bewohner pauschal für Eingliederungshilfe und Existenzsicherung gezahlt haben. Privathaftpflichtversicherungen für die Bewohner, die über einen Sammelvertrag abgeschlossen wurden, gehörten zum Beispiel zu diesen Leistungen dazu.

Das Bundesteilhabegesetz geht jetzt andere Wege, weil es die individuelle Selbstbestimmung des Menschen in den Mittelpunkt rückt. Die Gesamtpauschale wird deshalb nicht mehr wie bisher ausgezahlt, damit fällt auch die Refinanzierungsmöglichkeit für die Privathaftpflichtversicherungen in Sammelverträgen weg.

Die Mittel für die Eingliederungshilfe und die Gelder für die Existenzsicherung werden stattdessen jetzt voneinander getrennt. Existenzsichernde Leistungen werden von den Sozialhilfeträgern direkt an die Bewohner ausgezahlt. Die Einrichtungen müssen mit ihnen dann Kosten für Miete etc. abrechnen.
 

Was heißt das für die Sammelverträge zur Privathaftpflichtversicherung?

In Bezug auf die Privathaftpflicht verlangt dieser Paradigmenwechsel eine Überprüfung der Sammelverträge und ihrer finanziellen Grundlagen. Dabei stehen die Mitarbeitenden unserer Unternehmensgruppe Ihnen als Kunden selbstverständlich zur Seite.

Steht der jeweiligen Einrichtung ein Budget zur Verfügung, aus der die Versicherungsprämie gezahlt werden kann, oder kann ein solches geschaffen werden, kann mit den Sammelversicherungsverträgen grundsätzlich so verfahren werden wie bisher. Ergibt die Prüfung aber, dass eine Refinanzierung der fälligen Prämien nicht sofort gewährleistet werden kann, stehen unsere Kundenberater auch parat, um bei der Lösung dieses Problems behilflich zu sein – zum Beispiel durch eine Vertragsanpassung.

Denn: Müssen die Kosten für die Versicherungsprämie künftig auf die Bewohner der Einrichtung umgelegt werden, kann das nur geschehen, wenn die einzelnen Betroffenen beziehungsweise ihre Betreuer zustimmen. Das benötigt Zeit.
 

Können die Bewohner das Geld von den Sozialhilfeträgern erstattet bekommen?

Möglicherweise kann der einzelne die Kosten für die Versicherung bei der Berechnung der ihm zustehenden Sozialleistungen einsetzen, sofern er über ein eigenes Einkommen verfügt, das darauf angerechnet wird. Das muss allerdings im Einzelfall bei der jeweils zuständigen Sozialbehörde erfragt werden.
 

Könnten auch andere Einrichtungen von den Regeln des Bundesteilhabegesetzes betroffen sein?

Das Thema betrifft nur stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe, keine anderen Akteure der Wohlfahrtspflege. Das Bundesteilhabegesetz soll gezielt die Stellung von Menschen mit Behinderung verbessern, daher ist unseres Erachtens keine Übertragbarkeit auf andere Bereiche gegeben.
 

Wie ist die Bedeutung einer Privathaftpflicht bei Menschen mit Behinderungen überhaupt einzuschätzen?

Unabhängig von der aktuellen Diskussion ist grundsätzlich eine private Haftpflichtversicherung für alle Menschen notwendig und sinnvoll, denn es kann immer dazu kommen, dass man einem anderen einen Schaden zufügt, dessen Regulierung die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt. Die private Haftpflichtversicherung zahlt aber nicht nur im Schadenfall, sie prüft auch, ob überhaupt eine Ersatzpflicht besteht und wehrt unberechtigte Ansprüche ab.

Sebastian Baumann
sebastian.baumann@ecclesia-gruppe.de

Frank Schultz
frank.schultz@ecclesia-gruppe.de